Wer länger lebt, muss nicht unbedingt eine Frau sein

Ein älteres Paar in Hochzeitskleidung posiert vor einer Backsteinmauer.
Bevölkerungsforscher setzen das Rätsel der Langlebigkeit wie ein Puzzle zusammen.

Das Geheimnis eines langen Lebens ist ... nein, auch hier erfahren sie die Antwort nicht. Erstens, weil es ja irgendwie langweilig wäre, den Stein der Weisen zu enthüllen, und zweitens, weil es schlicht niemand so genau sagen kann. Nicht einmal Marc Luy vom Wittgenstein Zentrum für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften weiß es, und dieser Experte befasst sich immerhin hauptberuflich mit der Suche nach dem Schlüssel zur Langlebigkeit. „Den einen Faktor wird es nie geben, es sei denn, es wird ein Langlebigkeitsgen entdeckt, was ich sehr bezweifle.“

Obwohl die Lebenserwartung in den vergangenen 150 Jahren in den industrialisierten Ländern nahezu kontinuierlich angewachsen ist, kann niemand sagen, ob sie so steil weiter ansteigt oder es eine Grenze gibt. Die Optimisten rechnen damit, dass ungefähr in der Mitte des Jahrhunderts die magische Grenze von 100 Jahren erreicht ist.

„Ich bin da eher pessimistisch, so wie bisher wird es nicht weitergehen. Die vergangenen Anstiege verdanken wir zu einem Großteil der Reduktion der Säuglingssterblichkeit“, sagt der Bevölkerungsforscher.

Aber 100-prozentig sicher ist er sich nicht. Denn: Nicht einmal das Rauchen konnte den Anstieg der Lebenserwartung stoppen.

Brüder & Schwestern

Bei einem Kongress in Wien suchen 75 Forscher bis Ende der Woche nach weiteren Faktoren. „Meines Erachtens wird Stress immer noch unterschätzt, der spielt eine größere Rolle als wir alle denken“, sagt Luy. Von Stress ist in Klöstern üblicherweise wenig bis nichts zu spüren. Und interessanterweise, ergänzt Luy, der seit 15 Jahren Klöster erforscht, tue das beschauliche Klosterleben vor allem den Männern gut. Kloster­brüder leben unter identen Umweltbedingungen im Schnitt nur um ein Jahr kürzer als Nonnen – außerhalb der Mauern sind es sechs Jahre, Forscher sprechen von „Übersterblichkeit der Männer“. Das bedeutet: Der biologische Risikofaktor „Geschlecht“ spielt nur eine untergeordnete Rolle für die Lebenserwartung. „Der Lebensstil, Rauchen, Alkohol, die Klassiker eben, haben einen weitaus größeren Einfluss, das zeigt sich in jeder Studie.“

Wegen ihrer Widersprüchlichkeit erregen Männer und Frauen das Interesse der Bevölkerungsforscher. Einerseits leben Frauen deutlich länger, andererseits bescheinigen ihnen fast alle Studien eine schlechtere Gesundheit. Um dem Paradoxon – pumperlgsund, aber früher tot – auf die Schliche zu kommen, machen sich Luy und Kollegen auf, um Gesundheitsdaten zu erheben.

Fitte Zuagraste

Einen anderen Widerspruch haben die Forscher bereits aufgelöst. Zuwanderer in fast jedem Land leben länger als Einheimische. Die Erklärung dafür ist einfach: Einen Umzug nimmt nur auf sich, wer gesund ist – „niemand, der mit dem Tod ringt, wird sich von der Türkei nach Österreich aufmachen“.
 

Tabak ade Frauen, die im mittleren Alter mit dem Rauchen aufhören, können neun Lebensjahre gegenüber weiterrauchenden Frauen gewinnen.

Klare Verhältnisse 25 Prozent der Lebens­erwartung lassen sich genetisch erklären. 25 Prozent durch Umweltfaktoren. 50 Prozent mit dem
Lebensstil.

83,4 Jahre So hoch war die durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Frauen 2011. Jene der Männer betrug 78,11 Jahre.

Japaner haben generell eine hohe Lebenserwartung. Der Club der Hundertjährigen hat rund 40.000 Mitglieder. Die überwiegende Mehrheit sind Frauen. Die absolut ältesten Frauen Japans kommen traditionell von der Insel Okinawa, wo sich die Bewohner einer besonderen Langlebigkeit erfreuen. Auf 100.000 Menschen kommen hier 61, die über 100 sind, so viele wie sonst nirgendwo. Ursache für den hohen Anteil an Greisen ist die Ernährung, die reich an Obst, Gemüse und Fisch ist. Genauso wichtig wie das, was die Okinawer essen, ist das, was sie nicht essen. Ihre Anti-Aging-Strategie lautet: sich nicht vollstopfen, sondern etwas weniger essen als man könnte.

Lug & Trug

Die Anführungszeichen bei „Insel der Hundertjährigen“ kann man übrigens getrost weglassen, denn im Gegensatz zu anderen Weltgegenden werden auf Japan Geburtsurkunden geführt und von Bevölkerungsforschern ausgewertet. Im „Tal der Hundertjährigen“ in Ecuador haben solche Dokumente Seltenheitswert. Die Analyse von Blutproben und genetische Untersuchungen würden zudem nahelegen, dass die Leute von Vilcabamba zwar alt sind, aber nicht so alt wie sie vorgeben. Auch in einem Tal im Kaukasus, wo die Menschen angeblich zwischen 200 und 300 Jahre alt werden, kann dies niemand belegen.

Der aktuell älteste Mensch der Welt stammt aus den USA. Besse Cooper (116) wurde am 26. August 1896 geboren wurde. In Europa hält die 113-jährige Italienerin Maria Redaelli-Granoli den Rekord.

Kommentare