Unerwünschtes Comeback der Masern

A student receives a measles vaccine injection at the Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (EPFL) in Ecublens near Lausanne March 23, 2009. Both the University of Lausanne (UNIL) and EFPL have started a three day vaccination campaign to help eradicate a growing Swiss measles epidemic, in which more than 28 cases were discovered in both schools, out of a total of 370 in Switzerland since the start of the year. REUTERS/Valentin Flauraud (SWITZERLAND HEALTH EDUCATION)
Ärzte warnen auf Kongress vor gefährlichen Impflücken.

In etlichen Staaten Europas erleben die Masern derzeit ein unerwünschtes Comeback. 90.000 Fälle wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO allein in den vergangenen drei Jahren europaweit gemeldet. Von 2010 auf 2011 habe sich die Zahl vervierfacht, hieß es am Wochenende auf dem Europäischen Kongress für Infektionskrankheiten (ECCMID) in Berlin. „Vor allem Frankreich, aber auch Italien und England sind betroffen“, sagte WHO-Masernexpertin Prof. Susanna Esposito von der Universität Mailand. Auch in Berlin gibt es seit Wochen wieder ungewöhnlich viele Fälle.
Grund sei in Westeuropa vielerorts die Skepsis von Impfgegnern, die Schäden durch Nebenwirkungen der Impfung befürchteten. „Unter anderem geht dies auf eine Veröffentlichung von 2009 zurück, die die kombinierte Masern-Mumps-Röteln-Impfung mit Autismus in Verbindung brachte“, sagte Esposito. „Aber die zugrunde gelegten Daten sind vollkommen falsch. Das ist mittlerweile klar.“

Durchimpfung zu niedrig

Die Folge sei jedoch, dass die Durchimpfungsquote von 95 Prozent, die für eine Eliminierung der Masern in der Gesamtbevölkerung nötig sei, vielerorts nicht erreicht werde, sagte die Expertin. Die hoch ansteckende Infektionskrankheit mit den typischen roten Hautflecken kann auch zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie Lungen- und Hirnentzündungen führen. Im östlichen Teil Europas wie in Rumänien seien Masernfälle häufig, weil es dort lange Zeit keine flächendeckende Impfung für die Bevölkerung, speziell für Sinti und Roma, gegeben habe. So kames dort 2010 zu einem Ausbruchmit 24.000 Betroffenen, 90 Prozent davon waren Roma. Alle Staaten müssten mitmachen, betonte Esposito. Eine gute Überwachung des Impfstatus sei wichtig - und ebenso die Auffrischungsimpfung, die längst nicht alle wahrnähmen. „Sonst reicht der Schutz nur für fünf Jahre.“

Zweite Impfung fehlt oft

Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien: „Nimmt die Zahl der Ungeschützten immer mehr zu, kommt es zum Comeback von Krankheiten wie Masern und Keuchhusten. Es gibt eine ganze Generation, der, im Fall von Masern, die schützende zweite Teil-Impfung fehlt.“
Im österreichischen Impfplan sind zwei Masern-Impfungen im zweiten Lebensjahr vorgesehen (ab dem elften Lebensmonat, nach frühesten vier Wochen die zweite Impfung), noch vor zehn Jahren war die erste Teilimpfung im 2. Lebensjahr, die zweite im Schulalter vorgesehen. „Darauf wurde sehr oft vergessen“, so die Expertin. Bei fehlender Immunisierung ist eine „Nachimpfung“ in jedem Alter zu empfehlen.

Fehlende Mittel

Die Weltgesundheitsorganisation WHO will Masern bis 2015 europaweit ausrotten. Möglich ist dies allerdings nur, wenn zumindest 95 Prozent der Schulanfänger geimpft sind. Erst vor kurzem hat das UN-Kinderhilfswerk UNICEF darauf hingewiesen, dass weltweit im Jahr 2011 eineinhalb Millionen Kinder nicht gestorben wären, hätten sie den erforderlichen Impfschutz erhalten. Aber eines von fünf Kindern weltweit ist nicht geimpft. Gründe dafür sind soziale Ausgrenzung, geographische Isolation, fehlende Mittel, schwache Gesundheitssysteme oder bewaffnete Konflikte wie derzeit in Syrien.
Impfschutz ist eine der erfolgreichsten Gesundheitsinitiativen der Welt. Polio steht kurz vor der Ausrottung und Todesfälle durch Masern konnte in den letzten zehn Jahren um 71 Prozent reduziert werden. Jedes Jahr retten Impfstoffe 2 bis 3 Millionen Kinderleben.

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