Treuetester & Mystery Shopper: Test oder Täuschung

Der Fall: Sie kennen das: Er geht „nur schnell auf ein Bier“ – und plötzlich sitzt neben ihm eine Frau, die aussieht wie aus einer Parfumwerbung. Sie lacht über seine Witze, sucht seine Nähe und bestellt zufällig auch sein Lieblingsgetränk. Verdächtig? Absolut. Denn in Wahrheit sitzt da keine attraktive Versuchung, sondern eine bezahlte Treuetesterin. Wer so seine Ehe überprüft, bekommt zwar Antworten – aber oft auch Probleme. Dieses Geschäft bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen berechtigtem Misstrauen, übermäßiger Eifersucht und dem Risiko, selbst zur eigentlichen Ursache der Krise zu werden. Aber auch Unternehmen bedienen sich solcher Lockspitzel – nur eben ohne romantischen Anstrich, dafür mit harten finanziellen Konsequenzen. Was ist erlaubt und wann ist ein Agent Provocateur ein juristisches Eigentor?
Mag. Carmen Thornton:
Die Idee von Treuetestern wirkt fast amüsant – ein Szenario, das Stoff fürs Fernsehen oder lange Gossip-Abende mit Freundinnen liefert. Doch dahinter steckt ein ernster Hintergrund. Die Frage, ob der Partner untreu ist, stellt man sich nicht nur aus Neugier. Sie kann im Scheidungsverfahren erhebliche Folgen haben: Wer den Nachweis erbringt, dass die Ehe aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden des Partners gescheitert ist, sichert sich unter Umständen lebenslangen Unterhalt. Trotzdem ist der Markt für Treuetester in Österreich eher überschaubar. Die wenigsten wünschen sich Gewissheit, dass der andere fremdgeht. Schon die Beauftragung ist daher ein großer Schritt – schließlich provoziert man ein Verhalten, das man eigentlich fürchtet und von dem man insgeheim hofft, dass es nicht passieren wird.
Treuetests – eine rechtliche Grauzone Rechtlich bewegen sich Treuetests noch in einer Grauzone. Denn im Gegensatz zur Überwachung durch Detektivbüros gibt es zu Treuetestern kaum Rechtsprechung. Grundsätzlich gilt, dass ein Ehepartner das Recht hat, sich Gewissheit zu verschaffen, sobald es Anhaltspunkte für Eheverfehlungen gibt. Hatte der Partner sogar schon einmal eine Affäre und ist das Vertrauen erschüttert, ist gegen einen Treuetest nichts einzuwenden, wenn nagende Zweifel bleiben, auch wenn der Partner hoch und heilig schwört, so etwas bestimmt nie wieder zu tun. Das muss nicht gleich ein Treffen mit einer professionellen Testperson sein. Oft ist schon die Reaktion auf die Nachricht einer fremden Person auf Social Media recht aufschlussreich.
Grundlose Eifersucht ist Scheidungsgrund
Wenn ein völlig „unbescholtener“ Partner grundlos kontrolliert wird, kann sich das aber als juristisches Eigentor erweisen. Denn auch unbegründete Eifersucht und ein übermäßiges Kontrollbedürfnis können eine Eheverfehlung sein. Wer hinter jedem Lächeln einen Seitensprung und hinter jeder Nachricht ein frivoles Abenteuer vermutet, gefährdet nicht nur die Ehe, sondern auch seinen Unterhaltsanspruch. Auch beim Versuch, mit einem Treuetest gezielt eine Eheverfehlung zu provozieren, um sich im Scheidungsverfahren einen Vorteil zu verschaffen, ist Vorsicht angesagt, denn wenn der Schachzug entlarvt wird, kann dies vom Gericht als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Die Judikatur ist in vergleichbaren Fällen, etwa wenn jemand den Auszug des Partners provoziert, um ihm dieses Verhalten als Eheverfehlung vorzuwerfen, sehr streng.

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.
Treuetests liefern daher keine einfachen Antworten. Sie sind ein Balanceakt zwischen dem berechtigten Bedürfnis nach Gewissheit und dem Risiko, selbst die Ehe zu zerstören. Ich persönlich würde daher einen Treuetester nicht unbedingt empfehlen, notorische Fremdgeher muss man nicht extra ermutigen und dafür Geld in die Hand nehmen. Wenn man ein ungutes Bauchgefühl hat, reicht oft ein aufmerksamer Blick auf Kalender, Handy und das Verhalten des Partners. Und dann ist es besser, wenn ein Detektiv den Seitensprung für allfällige Gerichtsverfahren dokumentiert, denn dann können auch die Kosten der Überwachung zurückgefordert werden.
In allen anderen Fällen fährt man besser mit dem Motto: „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, denn eine Nachricht oder ein kurzer Flirt ist kein Grund für das Ende einer Ehe. Die Diskussion um Treuetester sehe ich persönlich aber als probates Mittel, das Bewusstsein zu schärfen. Ich sage Johannes immer: Sollte sich eines Tages eine auffallend hübsche, junge Frau für ihn interessieren, könnte es durchaus sein, dass ich dahinterstecke.
Mag. Johannes Kautz:
Scherze, mir eine Treuetesterin auf den Hals zu hetzen, recht gelassen, denn wer würde so eine Maßnahme schon vorab lautstark ankündigen? Auf die Idee, einen Agent Provocateur einzusetzen, kommen aber nicht nur Ehepartner, auch im Geschäftsleben sind solche Methoden weiter verbreitet als manche glauben.
Oft werden Mitarbeiter oder auch Geschäftspartner durch Testkunden überprüft. Meistens werden solche Mittel erst dann eingesetzt, wenn bereits konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten bestehen. Doch auch hohe Konventionalstrafen oder der Wunsch, langfristige Vertragsbindungen zu lösen, können ein Anreiz für ein verdichtetes Kontrollbedürfnis sein. Wettbewerbsverstöße werden ebenfalls häufig durch Testkäufe („mystery shopping“), Testanrufe („mystery calling“) oder ähnliche Lockspitzelaktionen aufgedeckt. Auch anerkannte Verbraucherschutzorganisationen greifen mitunter zu solchen Mitteln. Vor einigen Jahren sorgte beispielsweise eine große „mystery shopping“-Aktion des VKI zur Diabetikerbetreuung bei niedergelassenen Ärzten für mediale Aufregung und rief empörte Reaktionen der Ärztekammer hervor. Im Sozialversicherungsrecht ist in begründeten Verdachtsfällen sogar die Ausstellung von eigenen E-Cards an Kontrollorgane, die als Scheinpatienten eingesetzt werden sollen, erlaubt.
Testaktionen sind erlaubt
Auch wenn die Versuchung im Geschäftsleben nicht ganz so verführerisch daherkommt, wie in Liebesdingen gilt: Wer der Verlockung nicht widerstehen kann, muss mit unangenehmen Konsequenzen rechnen: Denn Wettbewerbsklagen oder Vertragsstrafen können kostspielig sein. Und obwohl die Rechtsprechung Lockspitzelaktionen anfangs eher kritisch gegenüberstand, ist mittlerweile anerkannt, dass grundsätzlich ein legitimes Interesse an der Aufdeckung von Rechtsverstößen besteht. Übertreiben darf man es aber trotzdem nicht. Wer unerlaubte oder verwerfliche Mittel anwendet, um einen Verstoß zu provozieren, kann sich nicht auf das Fehlverhalten des anderen berufen und setzt sich selbst dem Risiko von Ansprüchen aus. Vor allem das heimliche Aufzeichnen der Testaktionen zu Beweiszwecken ist nicht erlaubt. Trotzdem darf das Gericht nach aktueller Rechtsprechung auch rechtswidrig erlangte Beweismittel verwerten.

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.
Zustimmung des Betriebsrats
Für Arbeitgeber gilt ebenfalls: Kontrolle ist gut, aber mit Maß und Ziel. Eine Überwachung der Mitarbeiter durch Testkunden ist zwar nicht generell unzulässig, wenn die Kontrollmaßnahmen die Menschenwürde der Arbeitnehmer berühren, ist jedoch eine Zustimmung des Betriebsrates notwendig. Vor einigen Jahre landete beispielsweise der Fall einer Fluggesellschaft vor Gericht, die durch Testpassagiere die Servicequalität im Flugbetrieb kontrollieren ließ. Der Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber detaillierte Auskünfte über das Projekt und bekam vor Gericht teilweise recht. Auch als Arbeitgeber wird man also manchmal kontrolliert, zwar nicht unbedingt von „mystery employees“, aber immerhin vom Betriebsrat.
Dass Überwachungstätigkeiten nicht als vertrauensbildende Maßnahme wahrgenommen werden und einer langfristigen Beziehung wenig zuträglich sind, ist natürlich klar. Daher sollte man sich glücklich schätzen, wenn man Partner an seiner Seite hat, denen man vertraut – und zwar beruflich wie privat. Wenn der andere das Vertrauen missbraucht, schadet es aber auch nicht, im Streitfall geeignete Beweismittel bei der Hand zu haben.
Kommentare