Synthetische Drogen könnten das Erbgut schädigen

Eine Menschenmenge feiert mit Konfetti und erhobenen Händen auf einem Konzert.
Wiener Forscher fanden deutliche Hinweise auf krebserregenden Effekt.

Praktisch wöchentlich kommt irgendwo in Europa eine neue, synthetische psychoaktive Droge auf den Markt. In Österreich spielen solche Substanzen bisher aber bei Drogenkonsumenten nur eine untergeordnete Rolle. Im Rahmen eines EU-Projekts (SPICE II Plus) wurden jetzt Hinweise für eine potenziell genschädigende Wirkung von synthetischen Cannabinoiden entdeckt.

Diese Cannabinoide sind chemisch schwer identifizierbar. Mögliche unerwünschte toxische Wirkungen, die bei Konsum auftreten können, wurden bisher kaum untersucht, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung der MedUni Wien. Im Rahmen des EU-Projekts "SPICE II Plus" hätte man unter Beteiligung von Wissenschaftern des Wiener Krebsforschungsinstituts unter Siegfried Knasmüller im Labor und an humanen Zell-Linien einen möglicherweise krebserregenden Effekt solcher Substanzen belegen können.

Atemorgane und Verdauungstrakt

Synthetische Cannabinoide binden, ähnlich wie Tetrahydrocannabinol (der psychoaktive Inhaltsstoff von Marihuana) an den Cannabinoid-Rezeptoren im menschlichen Gehirn. Die genschädigenden Effekte würden aber vor allem die Schleimhaut der Mundhöhle und die Lunge betreffen.

"Vor allem die Atemorgane und der Verdauungstrakt sind erhöhten Konzentrationen dieser Drogen ausgesetzt", wurde Knasmüller zitiert. "Unsere Untersuchungen an menschlichen Zell-Linien im Labor haben gezeigt, dass die synthetischen Cannabinoide in diesen hohen Konzentrationen etwa in Zellen der Mundhöhle und in der Lunge wahrscheinlich Schäden der Erbsubstanz auslösen, die für die Konsumenten relevant sein könnten. Sie schädigen die Chromosomen, diese Eigenschaft steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Krebserkrankungen."

Ob die Forschungsresultate im Labor auch wirklich eine Relevanz bezüglich der Auslösung von Krebserkrankungen bei Drogenkonsumenten haben, ist durch die Forschungsergebnisse nicht geklärt. In Österreich haben die neuen synthetischen Drogen - bei den in Europa zwischen 2005 und 2012 neu aufgetauchten 240 Substanzen handelte es bei 140 um Cannabinoide - bisher keine größere Verbreitung gefunden. Dies vor allem deshalb, weil die Konsumenten eigentlich nie wirklich wissen können, was in den Mischungen wirklich enthalten ist.

Abwägung

"Die österreichischen Drogenkonsumenten machen eine recht genaue Risikoabwägung", sagte vor kurzem ein Wiener Toxikologe gegenüber der APA. Die meisten der Substanzen tauchen auch nur kurz am illegalen Markt auf, um dann wieder zu verschwinden. Jede einzelne von ihnen hat wiederum eine andere chemische Struktur und somit auch andere psychoaktive und/oder potenziell schädliche Effekte.

Das EU-Projekt wurde vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg unter Volker Auwärter geleitet. Weiters nahmen daran die Wiener Wissenschafter sowie Experten der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität Helsinki, des Instituts für Therapieforschung München sowie des deutschen Bundeskriminalamtes Wiesbaden teil.

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