Schönheit für Versuchskaninchen

Schönheit für Versuchskaninchen
Viele weitgehend ungeprüfte Verfahren, verharmloste Risiken: Zwei Buchautoren kritisieren die Beauty-Industrie.

Obwohl jedes Jahr weltweit Millionen von Schönheitseingriffen durchgeführt werden, gibt es erstaunlicherweise nur wenige seriöse Untersuchungen über deren Nutzen und die langfristigen Folgen." Das schreiben der Soziologe Hans Weiss (Mitverfasser der "Bitteren Pillen") und die Gynäkologin Ingeborg Lackinger-Karger in ihrem neuen Buch "Schönheit - Die Versprechen der Beauty-Industrie."

KURIER: Sie haben ein halbes Jahr in der Szene recherchiert. Ihr Kurz-Resümee?
Hans Weiss: Es ist ein sehr ungeregelter Bereich in der Medizin. Jeder Arzt darf sich Schönheitsmediziner nennen. In vielen Fällen siegen die Geschäftsinteressen.

Ein Beispiel?

Viele Patienten, mit denen ich gesprochen habe, bezahlten den gesamten Betrag im Voraus. Lief etwas schief, war es schwer, Geld zurückzubekommen. Ihnen war auch nicht bewusst, dass es keine Garantie auf ein ästhetisches Ergebnis gibt, sondern nur auf sachgerechte Durchführung. Aber auch da haben Patienten oft massive Probleme, zu ihrem Recht zu kommen - auch im Inland. Normal wäre, dass der Arzt anbietet, seinen Fehler zu reparieren. Doch das passiert oft nicht.

Wie häufig kommt es vor, dass Patienten mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind?

Laut Stiftung Warentest ist jede vierte Patientin unzufrieden. Der Nutzen wird oft übertrieben, die Risiken verharmlost. Botox etwa bleibt in einem von fünf Fällen als Faltenkiller wirkungslos. Bei Brustvergrößerungen muss bei zwei von zehn Frauen das Implantat innerhalb von zehn Jahren wegen Komplikationen wieder entfernt werden. Gerlinde K., 38, ließ 2002 bei einem prominenten Chirurgen eine Brustverkleinerung durchführen. Nach der OP hatte sie irrsinnige Schmerzen: Es dauerte drei Jahre, bis die Wunde verheilt war. Die Narben sind teilweise fünf Zentimeter breit. Solche Dinge dringen kaum an die Öffentlichkeit, weil es auch den Betroffenen unangenehm ist.

Sie schreiben, dass manche sogenannten "sanften" Methoden oft riskanter sind als klassische Schönheits-OPs?
Das Wort "sanft" ist eine bewusste Irreführung. Ich habe Patienten mit Faltenunterspritzungen gesehen, die an dauerhaften Entzündungen litten. Das sieht aus wie eine Verstümmelung. Auf dem deutschen Markt sind mehr als 200 Füllmaterialien in Verwendung - aber die Daten über Nutzen und Risiken sind dürftig. Ständig werden neue Geräte und Verfahren in den Markt gedrückt, ohne aussagekräftige Studien. Hier bräuchte es strengere Zulassungsregeln. Die Patienten sind oft ungewollt Versuchskaninchen.

Schönheit für Versuchskaninchen

Sie fordern das Verbot bestimmter Eingriffe. Warum?
Weil der Nutzen umstritten ist und die Nebenwirkungen nicht vertretbar sind. Das gilt unter anderem für Fadenliftings (Polypropylen-Fäden sollen die Gesichtshaut hochziehen, Anm.) , die "Fett-weg-Spritze", andere Methoden zur Fettauflösung, permanente Füllmaterialien und G-Punkt-Vergrößerungen. In Frankreich drängt die Gesundheitsbehörde auf ein Verbot der Fett-weg-Spritze.

Und die Fettabsaugung?
Hier zeigt eine neue Studie: Etwa dieselbe Menge an Fett, die am Unterbauch, an Hüften und Schenkeln abgesaugt wird, wird innerhalb eines Jahres am Oberbauch, an Schultern und Oberarmen wieder zugelegt. Langfristig findet also durch Fettabsaugungen keine Verminderung, sondern nur eine Umverteilung von Fett statt.

Sie behaupten, Schönheitseingriffe machen süchtig?
Es ist wie bei einem alten Haus: Sie machen etwas im Gesicht und dann fällt Ihnen auf, da passt ja jetzt der Hals nicht mehr dazu. Ein Eingriff bedingt den nächsten. Wenn Sie in diesem System einmal drinnen sind, kommen Sie aus der Schönheitsfalle oft nicht mehr heraus.

Info: Von den Bitteren Pillen zur Schönheit
Buchtipp
Hans Weiss, Ingeborg Lackinger-Karger, Schönheit - Die Versprechen der
Beauty-Industrie - Nutzen, Risiken, Kosten, 320 Seiten, Verlag Deuticke, 18.40 €

Die Autoren
Der Psychologe und Soziologe Hans Weiss ist (Ko-)Autor zahlreicher Bücher (z. B. "Bittere Pillen"). Ingeborg Lackinger-Karger ist Ärztin für Frauenheilkunde und Psychotherapeutische Medizin in Düsseldorf.

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