Rheuma: Jeder Zweite bekommt Diagnose spät

Eine Frau hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den unteren Rücken.
Eine aktuelle Umfrage zeigt: Bei jedem zweiten Rheumapatienten dauerte es sechs Monate oder länger bis zur richtigen Diagnose.

Einer von 100 Menschen weltweit hat eine rheumatische Krankheitsform. Eine aktuelle Umfrage unter 200 Rheumapatienten zeigt, dass es bei jedem Zweiten sechs Monate oder länger dauerte, bis die richtige Diagnose gestellt war. Betroffene fühlen sich in dieser Zeit häufig depressiv und niedergeschlagen. Dabei ist das Stadium, in dem Rheuma diagnostiziert wird, entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf. Rheumatologe Thomas Schwingenschlögl spricht im Interview mit dem KURIER über Anzeichen, Ursachen und Prognosen anlässlich des Welt-Rheuma-Tages am 12. Oktober.

KURIER: Wann tritt rheumatoide Arthritis erstmals auf?

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Thomas Schwingenschlögl, Rheumatologe…
Thomas Schwingenschlögl, Rheumatologe
Thomas Schwingenschlögl: Rheumatoide Erkrankungen können in jedem Alter auftreten. Rheuma-Formen, die auf Abnutzungen der Gelenke beruhen, kommen eher bei älteren Menschen vor, Gelenksentzündungen werden aber auch schon bei sehr jungen diagnostiziert.

Was sind erste Anzeichen?
Wenn man plötzlich Gelenksschmerzen oder -schwellungen hat, die nicht erklärbar sind, häufig in den Finger-, Hand-, Knie- und Sprunggelenken sowie Zehengrundgelenken, oft symmetrisch. Man hat kaum Kraft in den Händen, z.B. um ein Glas zu öffnen. Typisches Zeichen ist der Begrüßungsschmerz – das Zusammendrücken der Hände tut sehr weh. In der Früh kommt es oft zu Morgensteifigkeit, die bis zu mehrere Stunden dauert.

Was sind die Ursachen?
Bei den meisten rheumatoiden Gelenksentzündungen richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Normalerweise erkennt es fremde Substanzen, aktiviert dann Entzündungen und vernichtet so Erreger. Bei rheumatoider Arthritis ist dieser Mechanismus außer Kontrolle – es kommt ohne Auslöser zu Entzündungen in Muskeln, Sehnen, der Wirbelsäule. Bei aggressiven Verläufen können auch innere Organe betroffen sein. Den Auslöser kennt man noch nicht, wahrscheinlich spielen Gene eine Rolle. Man kennt aber Faktoren, die den Ausbruch begünstigen, z.B. Rauchen. Ein ungesunder Lebensstil trägt ebenfalls dazu bei.

Welche Einschränkungen gibt es für Betroffene?
Ohne Therapie kann man gar nichts machen, selbst Schuhe binden bereitet größte Schmerzen. Wenn man nicht rechtzeitig behandelt, zerstört das die Gelenksknorpel, die Gelenke werden steif. Das lässt sich nicht rückgängig machen. Deshalb ist die Frühbehandlung extrem wichtig. Mittlerweile gibt es verbesserte Tools zur Diagnose. Dann kann man sofort mit der Basistherapie beginnen.

Wie gut sind die Therapien?
Es gibt viele Medikamente, die das Immunsystem normalisieren. Dazu zählen synthetische Basismittel, biologische Medikamente (Biologika), die gezielt ins Immunsystem eingreifen und das Auslösen der Entzündung verhindern. Demnächst wird eine neue Generation von Medikamenten auf den Markt kommen, die in den einzelnen Zellen die Signalwege beeinflussen können. In der Schweiz, den USA und Japan gibt es sie bereits. Auch Bewegung ist für Patienten sehr wichtig.

Wie sind die Prognosen für junge Menschen?
Eine Heilung ist nicht möglich, man kann aber den Status gut erhalten, wenn die Behandlung früh einsetzt. Bei 60 Prozent der Patienten können normale Gelenksfunktionen erhalten werden. Von den anderen 40 Prozent sprechen nicht alle auf Medikamente an, auch wenn das durch die Vielzahl an Präparaten unwahrscheinlicher wird. Es gibt aber auch Patienten, die Medikamente nicht regelmäßig nehmen oder ablehnen. Das Wichtigste ist, dass man bei plötzlichen Gelenksbeschwerden gleich zu einem Rheumatologen geht. Innerhalb der ersten drei Monate nach ersten Beschwerden kann man bei richtiger Diagnose und Therapie die normale Gelenksfunktion erhalten.

Buchtipp

Das Cover des Buches „Diagnose Rheuma – Leben ohne Schmerz“ mit einer lächelnden Familie.
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