Reden über Sex so gut wie „Lustpillen“
53 Jahre waren die 30 Frauen im Schnitt alt und 17 Jahre mit ihrem Partner zusammen. Sie alle litten an einer Sexualfunktionsstörung: Erregungs- und Orgasmusprobleme, kein lustvolles Erleben ihrer Sexualität. Acht Monate lang verwendeten sie für eine Studie der MedUni Wien vor dem Sex ein Nasenspray mit dem „Kuschelhormon“ Oxytocin – beim Orgasmus werden davon hohe Dosen ausgeschüttet. „Das Ergebnis hat mich überrascht“, sagt die Projektleiterin, die Internistin und Sexualmedizinerin Michaela Bayerle-Eder: „Egal, ob sie Oxytocin oder einen Placebospray (ohne Wirkstoff) bekamen: Die sexuelle Zufriedenheit verbesserte sich im gleichen Maß.“ Die Studie wurde im Journal Fertility and Sterility publiziert
Über Sexualität reden
Ermittelt wurde dies mit Fragebögen – nach der Studie hatte sich die Sexualfunktion in allen Kategorien um rund 30 Prozent verbessert – in beiden Gruppen. „Den Frauen war es wichtig, etwas für ihre Beziehung zu tun“, so Bayerle-Eder: „Offenbar brachte alleine der Umstand, dass sie mit ihrem Partner über die Studie und über Sex sprachen,deutliche Verbesserungen.“ Sie glaube nicht, dass Oxytocin damit „vom Tisch ist“, so Bayerle-Eder. „Möglicherweise würde man in einer Studie mit mehr Teilnehmerinnen einen Effekt sehen.“ So wie bei der in den USA kürzlich zugelassenen Pille Addyi („Pink Viagra“): „Sie verbessert laut Studie die sexuelle Zufriedenheit um 52 Prozent, das Placebo um 36 Prozent. „Die Bedeutung von Addyi liegt darin, dass damit Störungen der weiblichen Sexualfunktion ernst genommen werden und die Forschung in dem Bereich angekurbelt wird – immerhin sind bis zu 40 Prozent der Frauen betroffen.“
Kommunikation an erster Stelle
Doch die Ergebnisse beider Studien zeigen: „Bei Problemen in der Sexualität, die keine körperliche Ursache haben – wie etwa Herzleiden –, müssen immer Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation an erster Stelle stehen – etwa spezielle Paartherapien. Damit können in den meisten Fällen gute Erfolge erzielt werden.“
Am 20./21. 11. findet am Wiener AKH das Symposium „Sexualmedizin interdisziplinär“ statt.
Info:www.sexualmedizin.or.at
Eine Hormonbehandlung mit Oxytocin verbessert das sexuelle Erleben von Frauen mit Sexualfunktionsstörungen. Das zeigt eine Studie der MedUni Wien, die nun im renommierten Journal Fertility and Sterility publiziert wurde. Allerdings hatte eine Vergleichsgruppe, die mittels Nasenspray nur ein Placebo erhielt, ähnlich verbesserte Werte. Störungen der weiblichen Sexualfunktion sind daher nicht nur ein chemischer Mangel im Hormonhaushalt, sondern oft auch ein Zeichen von fehlender Kommunikation mit dem Partner und ein Ausdruck von Alltagsstress. Das betont Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin an der MedUni Wien.
Dem als „Bindungshormon“ bekannten Oxytocin wird auch sexualitätsfördernde Wirkung zugesprochen. Um dies zu untersuchen, verwendeten 30 Frauen in einer acht Monate laufenden Langzeitstudie der MedUni Wien, die an der Klinik für Klinische Pharmakologie durchgeführt wurde, Oxytocin-Nasenspray unmittelbar vor dem Sexualakt. Bei den Probandinnen handelte es sich um Frauen mit Sexualfunktionsstörungen (Erregungsprobleme, Orgasmusprobleme, Schmerzen, u.a.). Gemeinsam mit ihren Partnern führten die Frauen ein Tagebuch und beurteilten anhand eines Fragebogens, wie sich der Sex während der Behandlung verändert hatte. Einer Vergleichsgruppe wurde im gleichen Zeitraum Placebo verabreicht.
Reden bringt´s
Das Resultat: Zwar verbesserten sich das Sexualleben und die sexuelle Zufriedenheit bei den Frauen unter Oxytocin-Behandlung signifikant, allerdings hatte die Gruppe, die nur Placebo zu sich genommen hatte, ebenfalls deutlich verbesserte Werte.
Sexualität als „höchste“ Form der Kommunikation zweier Menschen Das beweist für Projektleiterin Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin der MedUni Wien (dzt. an der endokrinologischen Abteilung der Universitätsklinik für Frauenheilkunde tätig), wie enorm wichtig die Kommunikation mit dem Partner für die sexuelle Zufriedenheit ist: „Offenbar brachte allein die Tatsache, dass sich die Frauen im Zuge der Studie intensiver mit ihrer Sexualität auseinandersetzten und mit ihrem Partner über Sex sprachen, schon messbare Verbesserungen.“
Daher liegt der Schluss nahe, dass oft nur Missverständnisse den Paaren das lustvolle Erleben ihrer Sexualität verleiden. „Oft ist eher Stress im Alltag die Ursache für sexuelle Beschwerden als irgendein chemischer Mangel im Hormonhaushalt der Frau.“ Daher sei es ratsam, bei sexuellen Problemen möglichst bald ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und der Ursache auf die Spur zu kommen.
"Pink Viagra" kein Wundermittel
Ähnliche Ergebnisse in klinischen Studien zeigte ein Wirkstoff namens Flibanserin, der nun im dritten Anlauf von der US-Zulassungsbehörde FDA (Federal Drug Administration) zugelassen wurde und im Oktober 2015 unter dem Namen „Addyi“ auf den US-Markt kommt. Dieser medial als Lustpille oder „ Viagra für die Frau“ bezeichnete Wirkstoff verändert das Hormongleichgewicht im Gehirn und soll so die Lust der Frau steigern und zu besserem Sex führen. Aber auch hier wurde in der Placebo-Gruppe eine deutliche Verbesserung der Sexualfunktion gesehen. Und dieser Wirkstoff hat unangenehme Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit und Übelkeit und darf nur von ÄrztInnen verschreiben werden, die zur Anwendung eingeschult und eine Berechtigung von der FDA erhalten haben.
„Von der Lustpille für die Frau sind wir also weit entfernt“, erklärt Bayerle-Eder und fordert: „ Bis zu 40 Prozent der Frauen und über 30 Prozent der Männer leiden an Sexualfunktionsstörungen und damit verminderter Lebensqualität, bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten sind es sogar bis 90 Prozent. Um den WHO-Kriterien 2006 zur Erhaltung der Gesundheit gerecht zu werden, ist es wichtig, der „Sexualmedizin„ in der medizinischen Aus- und Weiterbildung einen wichtigen Stellenwert einzuräumen.“
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