Propofol: Sehr sicher - bei richtiger Anwendung

Es gibt derzeit Kollegen, denen Eltern vor Operationen sagen, sie wollen nicht, dass ihr Kind
Propofol bekommt", sagt Univ.-Prof. Peter Marhofer, Kinderanästhesist an der MedUni Wien: "Darauf antworte ich immer: In fachgerechten Händen und bei fachgerechter Anwendung ist es das derzeit wahrscheinlich sicherste
Narkosemittel."
KURIER: Wofür genau ist Propofol zugelassen?
Peter Marhofer: Für die Vollnarkose sowie für die Sedierung (für Lokal- oder Regionalanästhesie) jeweils bei Operationen und Untersuchungen. Die Zulassung gilt für Patienten über einen Monat: Für Jüngere gibt es sie deshalb nicht, weil keine Studien existieren. Doch für die Einleitung einer Narkose gibt es im ersten Lebensmonat keine Alternativen. Alle anderen Medikamente sind hier schlechter zu bewerten. Bei vielen Indikationen in der Anästhesie von Kindern und Erwachsenen ist Propofol also unverzichtbar.
Warum?
Propofol lässt sich sehr gut steuern, der Schlafzustand kann rasch beendet werden. Damit ist auch eine schnellere Entwöhnung vom Beatmungsgerät möglich, was Komplikationen wie etwa eine Lungenentzündung reduziert. Andere Medikamente, die auch ein rasches Aufwachen ermöglichen, haben mehr Nebenwirkungen - das reicht von möglichen Schäden an Nervenzellen bis zu starken Schmerzen bei der Verabreichung.

Laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen darf Propofol "ausdrücklich nicht bei Kindern im Alter von 16 Jahren und jünger zur
Sedierung im Rahmen einer Intensivbehandlung angewendet werden".
Man muss unterscheiden: Unverzichtbar ist Propofol im Operationssaal und für Untersuchungen, z. B. Kernspintomografie, Magen-Darm-Spiegelungen. Anders ist das auf einer Intensivstation, etwa nach schweren Unfällen, einem Schädel-Hirn-Trauma oder Knochenbrüchen: Hier gibt es Alternativen - denn hier ist es weniger problematisch, wenn sich die Aufwachphase über mehrere Tage hinzieht. Aber auch auf der Intensivstation kann es Situationen geben, wo eine Kurzzeitsedierung (schlafähnlicher Zustand, Anm.) mit Propofol über wenige Stunden die beste Lösung ist. 48 Stunden, die oft als Obergrenze für eine Sedierung mit Propofol genannt werden, halte ich für zu lange: Das Propofol-Infusionssyndrom, das zu Muskelzerfall und Multiorganversagen führt, kann auch schon innerhalb kürzerer Zeit auftreten. Prinzipiell sollte man Langzeitsedierungen vermeiden, wann immer es möglich ist.
Wie häufig ist diese Nebenwirkung? Seit 1980 sind laut dem Tiroler Sanitätsrat weltweit 20 Todesfälle bei Kindern und 18 bei Erwachsenen im Zusammenhang mit Propofol dokumentiert.
Jährlich werden weltweit rund 200 Millionen Narkosen durchgeführt. Seit 1992 sind 35 Fälle dieses Syndroms beschrieben. Auch wenn die tatsächliche Zahl höher sein wird: Die Häufigkeit liegt weit unter 1:100.000. An unserer Klinik hat es vor 15 Jahren einen Verdachtsfall eines Propofol-Infusionssyndroms gegeben. Ein erhöhtes Risiko besteht vor allem dann, wenn kreislaufunterstützende und bestimmte entzündungshemmende Medikamente (Kortikosteroide) gleichzeitig eingesetzt werden. Aber angesichts der großen Zahl an Narkosen ist dieses Syndrom extrem selten. Bei der immer häufigeren Regionalanästhesie - wenn Propofol zur Sedierung verabreicht wird - ist mir überhaupt kein Fall bekannt.
Wenn Kinder narkotisiert werden: Wie viele Anästhesisten sind für eine optimale Überwachung notwendig?
Bei Säuglingen und Kleinkindern sollten immer zwei Anästhesisten anwesend sein. Wenn es zu Atemwegskomplikationen kommt, arbeiten wir die einzelnen Schritte nach Checklisten ab - so wie Piloten, von denen es ja auch immer zwei gibt. Ein einzelner Arzt kann rasch an eine Belastungsgrenze kommen. Die derzeit auch an der MedUni Wien diskutierten Personaleinsparungen sollten folglich unter diesem Aspekt gesehen werden.
Viele haben auch wegen des Falls von Michael Jackson Angst vor Propofol.
Was da passiert ist, war völlig unverantwortlich: Propofol ist kein Schlaf-, sondern ein hochwirksames
Narkosemittel, das nur unter ärztlicher Überwachung und dem Vorhandensein einer Beatmungsmaschine verabreicht werden darf. Propofol darf nicht zu Hause verabreicht werden.
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