Organe aus dem Reagenzglas: Wo ist die ethische Grenze?

Organähnliche Modelle aus menschlichen Stammzellen gelten unter Forschern als große Zukunftshoffnung, um die Wirkung von Krankheiten und Medikamenten zu erforschen. Doch die noch sehr junge Technik wirft auch viele ethische Fragen und Probleme auf, betont ein Team rund um den Wiener Biologoen Jürgen Knoblich im Fachmagazin Science.
Knoblich, stellvertretender Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften, plädiert für einen konstruktiven, interdisziplinären Dialog. Neben Wissenschaftlern sollten Patienten, Ärzte und Politiker einbezogen werden. "Nur so können wir verantwortungsbewusste Innovation und langfristige Akzeptanz dieser Technologie gewährleisten." Grundlegende Fragen werden im April bei einem Bioethik-Symposium diskutiert.

Nutzen
Vor drei Jahren entwickelte Knoblich erstmals "Mini-Hirne" aus menschlichen Stammzellen und erregte damit viel Aufsehen. Weltweit wurden bereits Organoide entwickelt, die Darm, Nieren, Bauchspeicheldrüsen, Leber und Netzhaut ähneln.
Der Nutzen dieser Züchtungen: Sie zeigen, wie sich menschliche Organe normalerweise entwickeln und wie sich Krankheiten oder Störungen entwickeln. "Neuartige Substanzen und Therapien können durch diese Technologie sehr viel schneller an menschlichem Material getestet werden", erläutert Knoblich im Fachartikel. Das könne in Zukunft etwa auch Tierversuche oder Erstversuche am Menschen einschränken. "Bringen neue Wirkstoffe und Behandlungen bei Organoiden die gewünschte Wirkung, ohne sie zu schädigen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie das auch bei echten Menschen tun."
Einschränkungen
Derzeit sind die Organoide allerdings noch viel kleiner als ihre Vorbilder – Knoblichs Mini-Hirne haben etwa die Größe eines Reiskorns. Ebenso fehlen den nachgebauten Organen Blutgefäße sowie Anschlüsse an Immunsystem und Nerven. Aus diesen Gründen kann man sie auch nur isoliert untersuchen und nicht im Wechselspiel mit anderen Organen. Tierversuche könnten Organoide daher nur teilweise ersetzen. Sie seien eher als eine Ergänzung zu sehen, betonen die Forscher.
Allerdings sind für die Herstellung der organähnlichen Zellgebilde immer Stammzellen notwendig. Der Bedarf nach solchen werde also steigen – was insbesondere bei den derzeit ethisch umstrittenen Stammzellen aus Embryonen zu bedenken sei. Auch bei Mini-Hirnen könnte es zu Problemen kommen. Da auch ihre Zellen von bestimmten Individuen stammen, könnten Untersuchungen Rückschlüsse auf die geistigen Fähigkeiten der Person möglich machen.
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