Hirnforschung in Entwicklungsländern fördern

Hirnerkrankungen verursachen weltweit jeden achten Todesfall - entsprechend groß ist der Bedarf an Fachärzten, neuen Ansätzen und Therapiemöglichkeiten. In Wien tagen derzeit 8000 Neurologie-Experten aus aller Welt, um Wissen und Anregungen auszutauschen. Sie warnen davor, dass die Zahl der Betroffenen in den nächsten Jahren drastisch ansteigen wird. Allerdings fehlt für 90 Prozent aller Menschen eine angemessene neurologische Versorgung, oft selbst der Zugang zu den einfachsten Medikamenten.
Globale Unterschiede
Der Kongress steht unter dem Motto "Neurologie im Zeitalter der Globalisierung". Tatsächlich beobachtet Eduard Auff, Mediziner am AKH Wien und Präsident des Weltkongresses, ein starkes internationales Gefälle hinsichtlich Wissensstand, Ärztedichte und Therapiemöglichkeiten. Der Großteil der Weltbevölkerung hat keinen oder unzureichenden Zugang zu neurologischer Versorgung. Besonders in Entwicklungsländern fehlen entsprechende Ressourcen, die größten Mängel gibt es in Südostasien und Afrika. So leben mehr als 90 Prozent aller Menschen in Gebieten, wo es für 10.000 Einwohner weniger als ein Spitalsbett in einer neurologischen Einrichtung gibt. In wohlhabenden Ländern kommen im Schnitt drei Neurologen auf 100.000 Menschen - in einkommensschwachen Regionen fertigen sie hingegen 10 Millionen potenzielle Patienten ab. Österreich liegt beim Vergleich weit vorne: Hier steht je ein Neurologe für 10.000 Einwohner zur Verfügung.
Forschung vernetzen
Angesichts der international unausgewogenen Lage betont Auff den Bedarf an länderübergreifenden Forschungsprogrammen sowie Kooperationen bei Studien und klinischen Prüfungen. In der Neurologie habe man in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht, sowohl was die Genauigkeit der Diagnosen als auch die Effizienz neuer Therapieformen betrifft. Möglichst viele Länder sollen von diesem Wissen profitieren und die Lebensqualität ihrer Patienten steigern.
Für einen fruchtbaren Austausch setzt sich vor allem internationale Gesellschaft für Neurologie (World Federation of Neurology, WFN) ein, die hinter dem Kongress steht. Der österreichische Facharzt und Universitätsprofessor Wolfgang Grisold leitet das Ausbildungskomitee der Organisation und sieht es als ein wichtiges Ziel an, einen gemeinsamen internationalen Ausbildungsstandard für Neurologen zu etablieren, bei dem auch Fortbildung eine zentrale Rolle spielt. "Es ist wichtig, immer auf dem Laufenden zu bleiben", betont Grisold. "Allein das Lyseverfahren in der Schlaganfallbehandlung wurde innerhalb weniger Jahre mehrmals modifiziert."
Möglichkeiten des Austauschs
Um Wissen auch in weniger privilegierten Ländern zugänglich zu machen, hat die internationale Neurologiegesellschaft eine Website mit Fachliteratur ins Leben gerufen und vergibt diverse Stipendien, um speziell Neurologen in Krisen- und Entwicklungsstaaten zu fördern. Außerdem baut die Organisation Fortbildungszentren in diesen Gebieten auf. Fachärzte aus Afghanistan und Marokko sowie anderen Teilen Afrikas profitierten bereits von den Programmen. Experten, die den Weg nach Wien auf den Kongress gefunden haben, kommen direkt vor Ort in den Genuss eines vielfältigen Kursangebots.
Kommentare