Neuer Alarm um Brustimplantate in Frankreich

Eine schematische Darstellung der weiblichen Brustdrüse.
Anstieg bei neuer Krebsart. Frankreich überlegt Verbot von Implantaten.

Wegen der möglicherweise zu beobachtenden Zunahme einer seltenen Krebsart bei Frauen mit Brustimplantaten könnte in Frankreich auch ein generelles Verbot der Implantate im Raum stehen. "Es gab einen ersten Fall 2011, dann zwei 2012, vier 2013 und elf 2014. Ein Mensch ist gestorben", sagte der Vize-Direktor der Behörde für Medikamentensicherheit (ANSM), Francois Hebert, der Zeitung "Le Parisien".

"Wenn wir Maßnahmen ergreifen müssen, wenn wir sie verbieten müssen, dann werden wir es tun", fügte er mit Blick auf die Brustimplantate hinzu. Das französische Krebsinstitut hatte vor kurzem Alarm geschlagen. Experten wiesen auf eine neue Krebsart hin, eine Form von Lymphdrüsenkrebs (LAGC-AIM), der mit den Brustimplantaten in Verbindung gebracht wird. Weltweit gebe es bereits 173 Fälle, berichtete "Le Parisien". Es gebe aber keinen einzigen Fall bei Frauen, die kein Brustimplantat haben. Demnach sprechen sich die Experten auch dafür aus, die neue Krankheit in die Liste der Weltgesundheitsorganisation aufnehmen zu lassen.

Expertenrunde geplant

Frauen und Ärzte in Frankreich werden inzwischen auf das neue Risiko hingewiesen. "Wir sind besonders aufmerksam bei der Angelegenheit der Brustimplantate, weil die Gesundheit der Frauen auf dem Spiel steht", sagte Hebert. Ende März ist dazu eine Expertenrunde vorgesehen. Der französischen Behörde für Medikamentensicherheit zufolge sind 14 der 18 Fälle in Frankreich bei Prothesen einer bestimmten Firma aufgetreten. Kontrollen in deren Labors hätten bisher aber keine Auffälligkeiten erbracht.

Seit dem Skandal um die minderwertigen Brustimplantate der südfranzösischen Firma PIP sind in Frankreich die Kontrollen verschärft worden. PIP hatte weltweit Hunderttausende Implantate verkauft, die mit billigem Industrie-Silikon und nicht dem eigentlich vorgesehenen Spezialsilikon gefüllt waren. Die Kissen reißen schneller und können Entzündungen auslösen.

Eine bis zwei pro 10.000 Frauen

Ein generell erhöhtes Krebsrisiko konnte bei den PIP-Implantaten nie nachgewiesen werden. Allerdings hatte der Fall einer Frau vom November 2011, welche die nun untersuchte neue Krebsart hatte, den Skandal ins Rollen gebracht. Auch in Deutschland sind tausende Frauen von dem PIP-Skandal betroffen. Derzeit schätzt das französische Krebsinstitut das Risiko über einen Zeitraum von zehn Jahren auf ein bis zwei Frauen pro 10.000 Brustimplantate-Trägerinnen, die diese Krebsart entwickeln. Die Spezialisten heben in ihrer Expertise zugleich hervor, dass sie im Moment eine vorsorgliche Entfernung aller Brustimplantate nicht empfehlen.

Zusammenhänge bereits 2014 aufgezeigt

„Das großzellige anaplastische Lymphom ist an sich sehr selten. Wir haben aber vergangenes Jahr einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit Implantaten gezeigt“, sagte am Dienstag der Wiener Pathologieforscher Lukas Kenner (AKH/MedUni Wien) gegenüber der APA zu den Meldungen über solche Erkrankungen aus Frankreich. Die Krebsform sei zwar aggressiv, die Prognose der Patientinnen aber gut.

Kenner hatte als Mitglied einer internationalen Autorengruppe durch die Analyse weltweit verfügbarer Studien und Daten in einer Übersichtsarbeit eine möglicherweise ursächliche Beteiligung von Brustimplantaten bei der extrem selten auftretenden Krebserkrankung postuliert. Die Studie wurde im vergangenen Oktober in der Fachzeitschrift „Journal Mutation Resesarch“ publiziert.
Die Wissenschafter fanden Hinweise dafür, dass Brustimplantate durch bösartige Veränderungen im Narbengewebe das großzellige anaplastische Lymphom auslösen könnten. Pro drei Millionen Brustimplantaten dürfte es zu einem bis sechs solcher Fälle als Komplikation kommen. Weltweit fanden die Wissenschafter für ihre Analyse 71 solche Erkrankungen in Literatur und Registerdaten, bei denen die Implantate für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich gewesen sein dürften.

Experte rät von Implantaten nicht ab

Allgemein gelten Brustimplantate als sicher. Studien haben keinen Zusammenhang zwischen Brustimplantaten und anderen Krebserkrankungen nachgewiesen. Bezüglich dieser Lymphom-Form erklärte Kenner: „Ich rate niemandem vor einem Implantat ab.“ Man müsse aber achtsam sein. Die sehr seltene Erkrankung habe an sich eine „recht gute Prognose“. Dabei kommt es auf eine frühzeitige Entdeckung an.

Ein Sprecher der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), der auch auf die Arbeit von Kenner hingewiesen hatte, betonte, man evaluiere die Daten aus Frankreich.

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