Nahtoderfahrung: Wie im Himmel
Ich war inmitten von Wolken. Dick, rosa-weiß und scharf vom tief dunkelblau-schwarzen Himmel abgehoben. Von oben kam ein gigantischer Klang, wie von einem glorreichen Chor."
So beschreibt Ebel Alexander im US-Magazin Newsweek jene Zeit, in der er 2008 nach einer Infektion sieben Tage im Koma lag und wichtige Teile seines Gehirns ausgefallen waren. Seine Erfahrungen verarbeitete er in seinem neuen Buch "Proof of Heaven". Damit wird die ewige Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Sterbeforschern, was nach dem Tod mit uns passieren könnte, neu befeuert.
Alexander ist nicht irgendwer. Er arbeitet an der renommierten Harvard Medical School und war an mehreren Unis tätig. Er sah sich zeitlebens als klar und skeptisch denkender Wissenschaftler und machte sich über Nahtoderfahrungen lustig. "Als Neurochirurg glaubte ich nicht an dieses Phänomen." Nach seinen Erfahrungen revidierte er sein Denken komplett. "Es gibt diese andere Dimension. Es ist eine Welt, in der wir viel mehr als unsere Gehirne und Körper sind und in der der Tod nicht das Ende des Bewusstseins ist."
Den Enthusiasmus des geläuterten Wissenschaftlers bewertet Michael Schröter-Kunhardt mit gemischten Gefühlen. Der Psychiater beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Sterbeforschung. "Das ist eine typische Reaktion: Ein Skeptiker ist von seinen eigenen Erlebnissen total überwältigt. Wenn man sich die aber im Detail anschaut, sind es eher traumhafte Erlebnisse und keine üblichen Nahtoderfahrungen."
Schröter-Kunhardt bezieht sich auf Alexanders Bericht, eine wunderschöne, junge Frau hätte ihn während seiner Reise in die andere Welt begleitet. "Das kennt man eher aus dem Islam, wo im Paradies die Jungfrauen auf die Märtyrer warten." Eine typische Nahtoderfahrung, die er in allen Kulturen feststellte, ist etwa "Licht als mystische Erfahrung". Ein dunkler Tunnel komme zwar häufig, aber nicht immer, in den Berichten vor. Diesen oft zitierten Tunnel sieht der deutsche Sterbeforscher Bernard Jakoby als "Übergang, wo sich das Bewusstsein noch einmal erweitert, sodass es zu Begegnungen mit Verstorbenen kommen kann."
Was nach dem Tod passiert, wird die Wissenschaft vielleicht nie klären können. "Unsere Methoden sind auf das Diesseits ausgerichtet. Wir untersuchen, was im Gehirn passiert – auch in Extremsituationen wie Teilausfällen", sagt Univ.-Prof. Thomas Klausberger, Neurobiologe am Zentrum für Hirnforschung an der MedUni Wien. Es komme etwa zu einer Sauerstoffreduktion. "Das Gehirn reduziert sich auf das Wesentliche. Wir wissen, dass da sehr starke Phänomene passieren, positiv wie negativ." (siehe Kasten rechts) Es werden Glücks- oder Stresshormone ausgeschüttet. Und der Mensch fühlt sich, als ob er aus seinem Körper trete, weil seine sensorische Wahrnehmung beeinträchtigt ist. Vermutlich spielt auch die jeweilige Einstellung zu Leben und Tod eine Rolle in der Qualität der Erlebnisse.
Erlebnisse aus Himmel & Hölle
Elisabeth Kübler-Ross gilt als Begründerin der Sterbeforschung. 1969 veröffentlichte sie Interviews mit Sterbenden und lieferte erste Erkenntnisse, über die Erlebnisse von todkranken Menschen. Sie alle hatten ähnliche Zustände: Trennung vom Körper, Rückschau auf ihr Leben, Reise durch einen Tunnel und sie sahen ein Licht, das beglückend wirkte. 2004, vier Jahre vor ihrem eigenen Tod war Kübler-Ross überzeugt: "Bewusstsein und Seele leben auf einer anderen Ebene." Ähnliche Ergebnisse veröffentlichte 1975 Psychologe Raymond A. Moody, nachdem er 150 Fallbeispiele untersuchte. Als beschönigend und einseitig, kritisiert der Kardiologe Maurice Rawling die Arbeit seiner Kollegen. Er wirft ihnen vor, dass sie Interviews nicht unmittelbar nach der Wiederbelebung durchgeführt hatten. Denn so entging ihnen, dass Menschen auch schreckliche Nahtod-Erlebnisse hatten. Der Soziologe Hubert Koblauch kam 1999 zu dem Ergebnis, dass die Erfahrungen sehr verschieden sind. 30 Prozent der 2000 Untersuchten erlebten die Hölle.
Kommentare