Medizin nach Mass

ARCHIV - Die mikroskopische Aufnahme zeigt eine menschliche Eizelle, die von Spermien umgeben ist (Archivfoto vom 07.03.2001). Die erfolgreiche Reise von Spermien zur weiblichen..Eizelle ist ein nicht gänzlich gelöstes Rätsel. Klar ist: Nur wenige..von Millionen kommen durch. Jahrelang behauptete sich das..«Maiglöckchen-Phänomen»: Demzufolge sollten die männlichen Spermien..auf ihrem Schwimmweg durch Düfte geleitet werden. Mit dieser These..räumen nun Wissenschaftler aus Bonn und Jülich auf: Spermien können..wohl doch keine Düfte riechen. (Zu dpa-KORR "Neues zur Reise der Spermien: Riechen können sie wohl nicht")..Foto: Jan-Peter Kasper +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die gute Nachricht: Der Stress der Frauen wird geringer – beim Kinderkriegen. Die schlechte Nachricht: Krankheiten wird es auch in der Zukunft geben. Aber sie werden besser heilbar. Maßgeschneidert für jeden Patienten.

Die Frauen werden es im Jahr 2030 besser haben. Davon ist Johannes Huber, Arzt, Theologe und Ethiker, felsenfest überzeugt, Zumindest, was das Kinderkriegen betrifft. „Die Frauen werden sich den Stress nicht mehr antun, bis 40 Karriere und Schwangerschaft auf die Reihe zu kriegen.“ Heute ist das anders. Schule, Ausbildung, hoffentlich ein guter Job – und wenn es in der Karriere endlich aufwärtsgeht, ist es für die Frauen mit 30 oder 35 höchste Zeit, sich um die Fortpflanzung zu kümmern. „Im Jahr 2030 wird jede 20-Jährige Eizellen einfrieren lassen und dann aktivieren, wenn der Prinz gekommen ist“, sagt Huber.

Medizin nach Mass
Eizellen, die nicht selbst benötigt werden, können zur Adoption freigegeben werden, für Frauen, die keine eigenen Kinder bekommen können. „Social egg freezing“ nennt er das, was den Frauen die Chance gibt, auf „Mr. Right“ als Vater ihrer Kinder zu warten, ohne dass die biologische Uhr tickt. Da die Lebenserwartung steigt und die Menschen in höherem Alter fitter sein werden als jetzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die spätgeborenen Kinder lange gesunde und agile Eltern haben werden.

Epigenetik

Wie gut es das Kind einmal haben wird, das beeinflusst die Mutter schon in der Schwangerschaft. „Epigenetik“ ist das Schlüsselwort. Bei der Befruchtung entsteht ein fertiges Genom. Doch in der Schwangerschaft entscheidet sich, wie das Gen verpackt ist und wie es abgelesen wird. Hat die werdende Mutter Stress? Wie ernährt sie sich? All diese Einflüsse im Mutterleib begleiten das Kind sein Leben lang. Leidet die Schwangere beispielsweise unter Vitaminmangel, erhöht dies das Risiko für das Kind, später an Multipler Sklerose zu erkranken.

Auch der Vater hat Verantwortung. Hat der Mann sich sehr fett ernährt und zeugt er ein Kind, so muss dieses Kind mit einem hohen Risiko, übergewichtig zu werden, leben. Das Wissen über die Epigenetik ist noch begrenzt. „Bis 2030 werden neue Parameter gemessen und es wir eine neue Form der Schwangerenvorsorge geben.“ Das wird zwar nicht den Menschen nach Maß bringen, aber den Eltern mehr Verantwortung für ihr Verhalten auferlegen.

Dass wir in naher oder ferner Zukunft nicht mehr krank werden, ist eine Illusion. Es wird aber bessere Prophylaxe, bessere Diagnostik und bessere Therapien geben. Und es wird, so Johannes Huber, „eine Schere im Gesundheitssystem aufgehen“. Dabei geht es jedoch nicht nur um Geld.

„Es wird eine Gruppe von Menschen mit sehr hohem Gesundheitsbewusstsein geben. Die werden länger und bei besserer Gesundheit leben“, so Huber. Anders gesagt: Wer gescheit ist, schaut auf sich. „Die Dicken sind die gesellschaftlich Unterprivile- gierten“, meint Huber. Als „Erziehungsmaßnahme“ weg von Übergewicht und Nikotin werden die Versicherungen die Menschen zum gesunden Leben animieren – durch Anreize für Wohlverhalten oder durch Strafen. Bei der Heilung von Krankheiten werden die Gene ein wichtige Rolle spielen. Das, was Genetiker Markus Hengstschläger den Wechsel „von der reparierenden zur regenerierenden Medizin“ nennt. Mit Hilfe der Stammzellentherapie, bei der aus körpereigenen Zellen die neuen Zellen entstehen, die gerade gebraucht werden.

Maßgeschneiderte Therapie

Auch die Krebstherapie wird „maßgeschneidert“ auf das Erbgut des Menschen und seine ganz speziellen Anforderungen. Jeder Mensch hat 21.500 Gene, die sich, verteilt auf 46 Chromosomen, in jeder einzelnen Zelle des Körpers wiederfinden. 23 Chromosomen von der Mutter, 23 vom Vater. Jedes Gen gibt es also doppelt. 0,1 Prozent sind individuell. Das unterscheidet uns voneinander. Das personalisiert uns. Und deshalb wird es personalisierte Medikamente geben, die besser wirken als diejenigen, die es derzeit gibt. Es wird uns erspart bleiben, so lange verschiedene Medikamente auszuprobieren, bis endlich das gefunden ist, auf das man anspricht.

Dass Diagnose und Therapie nur noch mit Hilfe von Computerprogrammen zustande kommen, daran glaubt Huber nicht: „Die Medizin wird 2030 zwar Zusammenhänge erkennen, die heute noch unbekannt sind. Aber das ärztliche Gespräch wird auch dann immer noch das beste Medikament sein. Denn schließlich braucht der Mensch Zuwendung.“

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