Ein Horrorjahr für das Great Barrier Reef
Wie ein Nachruf auf eines der spektakulärsten Naturwunder hört sich der Text auf einem populären Wissenschaftsportal an: „Das Great Barrier Reef in Australien ist nach langer Krankheit 2016 gestorben. Es war 25 Millionen Jahre alt.“ Natürlich ist es Polemik, mit der Autor Rowan Jacobsen im Oktober wachrütteln wollte. Aber Wissenschafter schlagen nach der beispiellosen Korallenbleiche weiter Alarm. „Die Korallen haben 400 Millionen Jahre Veränderungen auf dem Planeten überlebt, aber wenn jetzt nicht weltweit deutlich mehr gegen den Klimawandel getan wird, haben wir im Jahr 2100 höchstens noch hier und da ein paar Korallen, aber keine Riffe mehr“, sagte David Wachenfeld, bei der Marineparkbehörde (GBRMPA) für die Wiederherstellung des Riffs verantwortlich.
Das Riff als Attraktion
Korallenriffe sind zwar auch eine Touristenattraktion und ein Wirtschaftsfaktor. So bringen die Besucher rund fünf Milliarden australische Dollar (3,5 Milliarden Euro) pro Jahr ins Land, und der Sektor beschäftigt 70.000 Menschen. Eine entscheidende Rolle haben Korallenriffe jedoch für den Lebensraum Meer. Sie sind die Kinderstube zahlreicher Fischarten. Wenn sich die kleinen Fische nicht mehr vor Raubfischen in den Korallen verstecken können, werden sie gefressen, bevor sie ausgewachsen sind und sich fortpflanzen. Die Folge: ein dramatischer Rückgang der weltweiten Fischbestände.
2016 war ein Horrorjahr für das Great Barrier Reef. Extrem hohe Wassertemperaturen, teils 33 Grad, haben besonders im nördlichen, bisher intaktesten Teil des 2.300 Kilometer langen Riff-Systems mit unzähligen Korallenbänken verheerende Folgen gehabt.Korallen sind Nesseltiere, die mit Algen in einer Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen leben. Bei hohen Temperaturen werden die Algen giftig, die Korallen stoßen sie ab und verlieren ihre Farbe. Aus der Luft waren im Frühjahr kilometerweit weiße Korallenstöcke zu sehen. Ihm seien bei einem Überflug die Tränen gekommen, berichtete Terry Hughes, der das Institut für Korallenforschung an der James Cook-Universität leitet, freimütig.
Zwei Drittel der Korallen tot
Unzureichende Klimaziele
Für den Tourismus sind die Folgen der jüngsten Bleiche noch überschaubar. Die Region südlich von Cairns, von der die meisten Touristenboote aus starten, war deutlich weniger betroffen, wie die Korallenforscher festgestellt haben. Südlich von Mackay starb nur ein Prozent der Korallen ab - die anderen erholten sich trotzt Bleiche schnell. „Die Korallen dort haben ihre bunten Farben wieder und die Riffe sind in gutem Zustand“, sagte Korallenforscher Andrew Baird nach einer Tauchmission im Oktober und November.
Im Norden ist die Lage schlimmer: wegen des massiven Korallensterbens könnte es da zehn bis 15 Jahre dauern, bis die Korallendecke wieder wächst, schätzen die Experten. Und das nur, wenn es keine weiteren Störungen gibt. McKenzie vom Klimarat sieht die Sache düster: „Der Klimawandel hat extreme Ozeantemperaturen ausgelöst.“ Das mache eine neue Bleiche 175-mal wahrscheinlicher als früher. „Bei der derzeitigen Entwicklung könnte es in 15 Jahren alle zwei Jahre eine Korallenbleiche geben.“ „Kann ich garantieren, dass wir das Riff retten können? Nein“, sagte Wachenfeld. „Aber es besteht auf jeden Fall Hoffnung.“ Auch für Hughes ist es fünf vor zwölf: „Es ist noch Zeit, die Korallenriffe zu schützen, aber die Zeit läuft ziemlich schnell ab“, meinte er. „In 20 Jahren könne es zu spät sein.“
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