Kindesmisshandlung: Datenschutz lockern?

Österreichische Kinderärzte üben erneut Kritik an den strengen Datenschutzbestimmungen bei misshandelten Kindern. Sie fordern eine Lockerung der Datenschutzes. Ihre Kritik: Nach der Entlassung aus dem Spital würden die Kinderschutzgruppen die Kinder aus den Augen verlieren und keine Information mehr von der Jugendwohlfahrt bekommen. Auch das Gesundheitsministerium ist auf der Seite der Kinderärzte, berichtet Ö1. Eine Neuregelung ist dennoch nicht in Sicht.
Gerhard Aigner, Sektionschef im Gesundheitsministerium, zeigt sich in Bezug auf eine Neuregelung diskussionsbereit: "Wir verstehen das Anliegen der Ärzte". Man sei schon mehrmals an das Familienministerium herangetreten, habe aber jedes Mal eine Abfuhr kassiert - mit den Argumenten Datenschutz und Amtsverschwiegenheit, sagt Gerhard Aigner. Dies wären gewichtige Argumente, aber eine gesetzliche Lösung wäre schön, so Aigner gegenüber Ö1.
Auch das Familienministerium gibt sich grundsätzlich diskussionbereit, betont jedoch, dass nur Informationen weitergegeben werden sollen, die den Kindern wirklich mehr Schutz bringen. Problem bei der Neuregelung: Sie müsste in das neue Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz einfließen, das den Schutz vor Gewalt und anderen Gefährdungen verbessern soll - eine Einigung über das Gesetz ist jedoch nicht in Sicht. Die zuständigen Minister versuchen seit Jahren eine Einigung mit den Ländern zu erzielen - bisher vergeblich. Denn zuständig für die Grundsatzgesetzgebung ist der Bund, die Ausführung und damit die Finanzierung ist allerdings Länderkompetenz. Und genau an der Finanzierung hakt es: So bedeutet etwa das vorgesehene Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung Mehrkosten für die Länder, weil mehr Personal beschäftigt werden muss.
Unfallchirurgen fordern Kinderschutzregister
Eine weitere jahrelange Forderung von Seiten der Ärzte ist ebenfalls noch unerfüllt: Die Einführung eines Kinder- und Gewaltschutzregisters. Im Fall eines schwerst misshandelten Kinders haben jene, die die ärmsten Opfer als Erste sehen - die Unfallchirurgen - nämlich keine Chance, einen kurzen Blick auf eine mögliche "Vorgeschichte" der Leiden zu werfen. Im
Gesundheitsministerium plant man aber nicht, das zu ändern. Aigner verweist jedoch auf die Forderung nach der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) - damit wären all diese Fragen gelöst, argumentiert der Argumentationschef gegenüber
Ö1.
Die Zahlen sind jedenfalls alarmierend: Im Vorjahr wurden in Österreich laut Bundeskriminalamt (BKA) 2.175 Fälle von Körperverletzung an Kindern (unter 14 Jahre) angezeigt. Weitere 229 Anzeigen wurden wegen Quälens oder Vernachlässigen und 700 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern erstattet.
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