Zukunft der Medizin: Herzfrequenz selbst messen

Eine Frau hält ein Smartphone mit einer Gesundheits-App und trägt einen Metria-Sensor am Arm.
Körperdaten selbst messen, Diagnose via Videosprechstunde: Alle Trends zeigt die Medizinmesse Medica.

Der Patient studiert seine Computertomographie, während der Arzt ihm den Befund erläutert. Der Erkrankte sitzt dabei nicht in der Praxis, sondern daheim am PC oder Laptop, in privater Online-Sprechstunde. Eine Patientin fotografiert eine verdächtige Hautstelle mit ihrem Smartphone und schickt das Bild per Mail für eine erste Diagnose an ihren Dermatologen. Oder, als Neuheit auf der weltgrößten Medizinmesse „Medica“ ab Montag in Düsseldorf zu sehen: Bei beunruhigenden Symptomen kann man schnell selbst seine Herzfrequenz messen - mit einer App, einem kleinem EKG-Kabel und vier Mini-Elektroden - und sofort an den Kardiologen senden

Arzt muss sich vorbereiten

Die Digitalisierung in der Medizin schreitet voran. „Die digitale Vernetzung ist ein Komplex, der sich durch sämtliche medizinische Bereiche zieht“, sagt „Medica“-Direktor Horst Giesen. Das werde zu weitreichenden Veränderungen führen, betont Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer. „Der Patient erhebt selbst Daten und Werte digital, die er dem Arzt mit der Bitte um Einordnung schickt. Perspektivisch muss der Arzt sich auf die Sprechstunden vorbereiten. Das Verhältnis von Arzt und Patient verkehrt sich in gewisser Weise.“

Eine Hand hält ein Smartphone mit einer Meldung, die einen Besuch bei einem Patienten anfordert. Im Hintergrund sitzt ein älterer Mann im Bett.
Duesseldorf, DEU. 19.11.2013. Vernetztes Pflegebett schaltet automatisch Licht an und ruft das DRK. Das vernetzte Bett merkt ueber Sensoren, wenn ein pflegebeduerftiger Mensch nachts ohne Hilfe das Bett verlassen will und schaltet das Licht in dem Raum ein, um moeglichst einen Sturz zu vermeiden. Gleichzeitig sendet das Bett ueber eine spezielle Mobilfunkkarte (M2M, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation) eine Nachricht an die Leitstelle des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Herten. ueber dieselbe Verbindung kann das DRK den Patienten zurueckrufen und bei Bedarf vorab festgelegte Familienmitglieder per SMS oder per Anruf informieren. Falls noetig, kann das DRK auch ein Pflegeteam schicken, um selbst vor Ort nach dem Rechten zu schauen. Dies ist besonders wichtig fuer demenzkranke Patienten, die zu Hause gepflegt werden. Ein Drittel der Senioren ueber 65 stuerzt einmal pro Jahr, jeder Zehnte zieht sich dabei eine Fraktur zu. DRK und Telekom testen das Bett bereits in Deutschland und oesterreich. Foto: Constanze Tillmann, Exploitation right Messe Duesseldorf, M e s s e p l a t z, D-40474 D u e s s e l d o r f, www.messe-duesseldorf.de; eine h o n o r a r f r e i e Nutzung des Bildes ist nur fuer journalistische Berichterstattung, bei vollstaendiger Namensnennung des Urhebers gem. Par. 13 UrhG (Foto: Messe Duesseldorf / ctillmann) und Beleg moeglich; Verwendung ausserhalb journalistischer Zwecke nur nach schriftlicher Vereinbarung mit dem Urheber; soweit nicht ausdruecklich vermerkt werden keine Persoenlichkeits-, Eigentums-, Kunst- oder Markenrechte eingeraeumt. Die Einholung dieser Rechte obliegt dem Nutzer; Jede Weitergabe des Bildes an Dritte ohne Genehmigung ist untersagt | Any usage and publication only for editorial use, commercial use and advertising only after agreement; unless otherwise stated: no Model release, property release or other third party rights available; royalty free only with mandatory credit: photo by Messe Duesseldorf]
Gerade im ländlichen Raum - mit immer weniger Medizinern - sieht der Experte Chancen. „Statt den Patienten nach der Sprechstunde beim Allgemeinmediziner zum Spezialisten zu überweisen, könnte man eine Videokonferenz organisieren - mit Allgemeinmediziner, Facharzt und Patienten - und dabei Befunde und Vorgehen gemeinsam beraten“, erläutert Chirurg Bartmann. Zugleich betont er: „Wir sprechen von einer digitalen Verstärkung, von einer Ergänzung. Präsenzsprechstunden und Behandlungstermine sind weiter erforderlich.“

Werden die weniger Technikaffinen nicht abgehängt? Professor Christiane Woopen, Medizinethikerin an der Universität Köln, sagt: „Den Patienten wird bei der guten und sicheren Nutzung digitalisierter medizinischer Maßnahmen eine Kompetenz abverlangt, die sie in der Regel erst einmal erlernen müssen.“ Bei jüngeren Menschen - mit Smart-Geräten aufgewachsen - werde das leichter sein als bei manchen Älteren. Schon bei der Technikentwicklung gelte es, Bedürfnisse und Präferenzen der späteren Nutzer zu berücksichtigen, meint die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.

Auch viel Skepsis

Mediziner stehen ebenfalls vor einer Herausforderung. Es gibt auch Vorbehalte und Skepsis. „Nicht alle Ärzte werden diesen Weg mitgehen. Viele befürchten, das etablierte Praxisverfahren könnte irgendwann ersetzt werden“, so Bartmann. Der Mediziner müsse nicht gerade zum IT-Spezialisten werden, jedoch einegewisse Kompetenz mitbringen, meint Hans-Peter Bursig vom Fachverband Elektromedizinische Technik. Darüber verfüge der Arzt aber in der Regel ohnehin.

Eine Frau betrachtet ihre Gesundheitsdaten auf einem Smartphone und einem blauen Fitness-Tracker.
Düsseldorf, DEU. 14.11.2014. MEDICA 2014 – 12. - 15. November in Düsseldorf - World Forum for Medicine - Einen Schwerpunkt der weltgroessten Medizinmesse MEDICA bilden Anwendungen medizinischer IT. Gut 36.000 Fachbesucher der MEDICA interessieren sich speziell fuer diesen Angebotsbereich und die Foren wie MEDICA HEALTH IT FORUM oder MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM. http://www.medica.de | Medical IT is a topic which is high on demand at every MEDICA. 36,000 visitors of MEDICA are especially interested in this topic and forums like the MEDICA HEALTH IT FORUM or the MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM. http://www.medica.de | Foto: Constanze Tillmann, Exploitation right Messe Duesseldorf, M e s s e p l a t z, D-40474 D u e s s e l d o r f, www.messe-duesseldorf.de; eine h o n o r a r f r e i e Nutzung des Bildes ist nur fuer journalistische Berichterstattung, bei vollstaendiger Namensnennung des Urhebers gem. Par. 13 UrhG (Foto: Messe Duesseldorf / ctillmann) und Beleg moeglich; Verwendung ausserhalb journalistischer Zwecke nur nach schriftlicher Vereinbarung mit dem Urheber; soweit nicht ausdruecklich vermerkt werden keine Persoenlichkeits-, Eigentums-, Kunst- oder Markenrechte eingeraeumt. Die Einholung dieser Rechte obliegt dem Nutzer; Jede Weitergabe des Bildes an Dritte ohne Genehmigung ist untersagt | Any usage and publication only for editorial use, commercial use and advertising only after agreement; unless otherwise stated: no Model release, property release or other third party rights available; royalty free only with mandatory credit: photo by Messe Duesseldorf]
In der digitalen Welt ist die Entwicklung rasant. Es gibt bereits rund 87 000 Apps für den Fitness-Bereich und mehr als 55 000 medizinische Apps. Unter den Neuheiten der „Medica“ mit fast 5000 Anbietern aus 70 Ländern sollte am Sonntag bei einem Rundgang auch ein kleiner Schlafsensor gezeigt werden, der wie ein Ufo aussieht. Er wird unter der Matratze platziert, erfasst Daten wie Atemaussetzer und schickt sie via Bluetooth zur Auswertung an eine App im Smartphone. Tragbare Minimessgeräte - Health Tracker oder Fitnessarmbänder - sind ein Megatrend. Eine Neuentwicklung für die „Medica“ soll laut Hersteller sogar Emotionen und Stimmungen des Trägers messen können.

Diabetologe Ralph Ziegler sieht viele Vorteile für seine Patienten. Die Mini-Programme für Smartphones geben Infos über Inhaltstoffe von Lebensmitteln oder helfen bei der Insulin-Kalkulation. „Die Datenfülle kann mit speziellen Apps besser aufgearbeitet werden.“ Aber: „Man muss in dem Dschungel von Apps die richtigen finden.“

"Mess-Wut"

Eine wahre Mess-Wut haben die Apps und Health Tracker ausgelöst, meine einige. „Manche mögen hilfreich sein“, sagte Woopen. Sie sieht aber auch Gefahren: Eine „subtile Gesundheits-Glorifizierung“ könnte um sich greifen und die Vorstellungen, was Gesundheit eigentlich ausmacht, auf das reduzieren, „was messbar ist und was die Hersteller dieser Techniken messen wollen“. Sie betont: „Der Mensch ist weit mehr als die Gesamtheit seiner Daten und Gesundheit weit mehr als das, was man in Ziffern und Kurven ausdrücken kann.“

Kommentare