Wie gesund lebt die Ministerin?

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser
"Einfach gesund mit den 5 L" – was heißt das für Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser persönlich?

Die Medizinerin Sabine Oberhauser ist seit September Gesundheitsministerin. Im Interview mit dem KURIER spricht sie über den Sinn und Unsinn von Verboten, über Lebenslust und Diäten.

KURIER: In unserer neuen Serie zeigen wir, wie man mit einfachen Mitteln etwas für die Gesundheit tun kann. Die Österreicher sind da ja nicht sehr bewusst. Was bräuchte es für eine Trendwende?

Wie gesund lebt die Ministerin?
Interview mit Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser am 23.01.2015 in Wien
Sabine Oberhauser: Da sind viele Schritte notwendig. Etwa, dass sehr früh mit Bewusstseinsbildung begonnen wird. Prävention braucht 20, 30 Jahre Vorarbeit. Wenn es uns gelingt, Kinder und Jugendliche auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen, ist – langfristig betrachtet – Veränderung möglich.

Da fehlt’s an Strukturen. Beispiel Kinderarzt: Der impft, hat aber keine Zeit, sich mit den Eltern darüber zu unterhalten, warum das Kind zu dick ist.

Als ich als Gesundheitsministerin begonnen habe, war eines meiner Ziele "mehr Zeit" für ärztliche Zuwendung. Man könnte sich viele Medikamente ersparen, würde man fragen: Warum? Da sind wir bei den Primärversorgungszentren – als neue Möglichkeit zum gut funktionierenden Hausarztsystem. Drei Allgemeinmediziner, eine Krankenschwester und die Ordinationshilfe verbinden sich in einem Haus und in einem Netzwerk. Wenn dann jemand mit dem Kind wegen des Impfens kommt, und der Arzt sieht, das Kind ist zu dick, kann er die Familie innerhalb des Netzwerks zu einer Diätologin oder Ernährungswissenschaftlerin schicken.

Wie bringt man "Gesundheitsbewusstsein" in Familien, an Kinder? Über Verbote oder eher spielerisch?

Wie gesund lebt die Ministerin?
Es geht nichts mit erhobenem Zeigefinger; man muss Möglichkeiten schaffen. Etwa in Ganztagsschulen, wo sich freie Zeit nützen ließe, um Bewegungseinheiten einzubauen. Sodass Bewegung nicht mit dem klassischen Unterricht verbunden wird, sondern mit Bewegungslust. Es braucht ein System, in dem Bewegung nicht stressig, sondern lustig ist.

Apropos, was wurde aus der täglichen Turnstunde?

Für ganztägige Schulformen ist sie Beschlusssache, aber nicht an allen Schulen. Weil es von den Räumlichkeiten her noch nicht funktioniert. Die Strukturen dafür aufzubauen, ist schwierig. Wartet man oder schauen wir, wie man ausweichen kann? Es ist wichtig, Möglichkeiten aufzuzeigen, da gibt es bereits Modelle. Etwa die Kooperation mit diversen Sportvereinen. Und was die Ernährung betrifft, ist ebenfalls ein spielerischer Umgang nötig – am besten bereits im Kindergarten, ohne Druck.

Apropos Druck, braucht es in Österreich eine andere Form von Vorsorge – Richtung Prävention statt Reparatur? Man denke an das Anreizmodell der SVA, wo es für die Versicherten "Boni" gibt, wenn sie mit dem Rauchen aufhören.

Das ist zu diskutieren. Befunde sammeln ist keine Vorsorge. Wer sich checken lässt, ändert noch nicht sein Leben. Zum Bonifizieren: Wie wird das überprüft? Ich selbst habe lange geraucht und lange nicht aufgehört, weil mir Sager wie "Das ist ungesund, hört’s auf zu rauchen" auf die Nerven gegangen sind. Ich hätte vermutlich auch nicht aufgehört, wenn mir jemand dafür etwas gezahlt hätte.

Was sagen Sie dann Menschen, die ihren Lebensstil ändern und gesünder leben möchten?

Es ist wichtig, dass man es selbst wirklich möchte. Und die Umstände müssen passen. Was mich und das Rauchen betrifft: Ich hatte eines Tages den Wunsch aufzuhören, der Moment passte. Ich bin nicht für das "Wenn du das und das machst, dann kriegst du das oder das nicht"-Prinzip. Außerdem ist es eine Frage der Lebensverhältnisse. Wer einen gesicherten Job hat und gut verdient, kann leicht überlegen, ob er vegan lebt oder ins Fitnesscenter geht. Wenn ich grübeln muss, wie ich meine Kinder satt kriege, wird’s schwierig. Deshalb bin ich gegen Anreizmodelle.

Hat die Politik nicht auch eine edukative Funktion?

Edukativ ist okay. Aber die Verbotsgeschichte ist schwierig. Wann ist Schluss? Wo hört es auf? Regeln sind notwendig, aber es muss trotzdem jeder seinen eigenen Weg finden – das kann kein Staat übernehmen.

Was das Rauchverbot betrifft – andere Länder zeigen es vor.

Das haben wir versemmelt mit dem 2008er-Gesetz. Das war zu sehr Kompromiss. Ich hoffe aber jetzt auf das generelle Rauchverbot in der Gastronomie. Ein Ziel ist außerdem eine Nichtraucher-Kampagne für Jugendliche. Da hätte ich gerne etwas, wo die Jungen etwas mitentwickeln.

Sie haben zwischen 20 und 25 Zigaretten täglich geraucht und sich’s abgewöhnt. Wie haben Sie das geschafft?

Wie gesund lebt die Ministerin?
Interview mit Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser am 23.1.2015 in WIen
Es gibt auf Facebook viele Menschen, die mich das fragen. Ich sage dann immer: Das ist meine Art und Weise, damit umzugehen. Deshalb glaube ich nicht, dass es ein Patentrezept für alle gibt. Was mir geholfen hat: eine Anti-Raucher-App. Die hat mir Botschaften geschickt und vor allem hat sie gezählt, wie viele Zigaretten ich nicht rauche. Das ist schon sehr eindrücklich.

Wie war das mit dem Abnehmen?

Irgendwann habe ich mir auf den Fotos überhaupt nicht mehr gefallen. Außerdem begann rundherum alles abzunehmen. Die einen essen keine Kohlenhydrate, die anderen abends nix oder nur jeden zweiten Tag. Manche probieren es mit "Schlank im Schlaf"… Ich habe dazu eine Bücherwand, es könnte ja was dabei sein, das Wunder wirkt. Es gelang mir nicht abzunehmen, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche Diät ich mache. Ein Kollege zeigte mir dann was Neues – wieder eine App. Mit der wird sichtbar, was man gegessen hat und was Bewegung bringt. Das passte gut. Ich will nämlich essen, was mir schmeckt. Ich mag zum Beispiel ein paniertes Schnitzel essen. Das ist Lebensqualität. Außerdem habe ich mich ein Leben lang immer bewegt. Also begann ich lange Strecken zu gehen, mit dem Hund, sehr zeitig in der Früh. Ich krieg damit den Kopf frei, es bringt mich runter.

Was trägt noch zu Ihrer Lebensqualität bei?

Häkeln, Stricken. Mit den Händen etwas tun, das ist Stressabbau. Und Faulenzen. Ich versuche mir den Sonntag frei zu halten. Der Tag dauert viel länger, wenn ich nicht auf die Uhr schauen muss.

L wie Lernen – was heißt das für Sie?

Das Zulassen von Neuem. Das funktioniert, wenn man geistig rege bleibt. Meine Mutter – sie ist 84 – ist mir da eine gute Partnerin. Sie und ich lösen jeden Samstag ein Rätsel – getrennt. Nachmittags wird telefoniert und verglichen. Meine Mutter macht viel, um sich geistig fit zu halten und dazu gehört, immer neue Sachen auszuprobieren, Veränderung zuzulassen und mit Veränderungen leben zu lernen.

Leben: Schön.

Laufen: Ja – manchmal.

Lernen: Ewig.

Lieben: Was Schönes.

Lachen: Oft! Ganz oft!

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