Radioaktive Pilze: Gelegentlicher Verzehr ist unbedenklich

Auch fast vier Jahrzehnte nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl sind nach wie vor unsichtbare Spuren radioaktiver Stoffe in Waldböden und Pilzen messbar. Sie gelangten über die Luftströmungen auch nach Österreich und benachbarte Länder wie Deutschland, wo manche Pilzarten bis heute radioaktives Cäsium-137 enthalten können. Dieses geht sowohl auf den schwersten Reaktorunfall der Geschichte 1986 in Tschernobyl als auch auf frühere oberirdische Atomwaffentests zurück. Allerdings: Für Pilzsammler besteht kein Grund zur Sorge, wie ein aktueller Pilzbericht des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zeigt.
In einigen Regionen Süddeutschlands enthalten manche Pilze mehr als 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse – das liegt über dem Grenzwert für den Handel. Auch unter früheren Proben aus Österreich wurden laut AGES vereinzelt Pilze mit Grenzwertüberschreitungen entdeckt. Dennoch erhöhe der gelegentliche Verzehr solcher Pilze die persönliche Strahlendosis nur minimal, heißt es in einer Aussendung des BfS. Entscheidend sei nicht ein einzelner Pilz, sondern die gesamte aufgenommene Menge an Cäsium-137. „Wer selbst gesammelte Pilze in üblichen Mengen isst, muss sich aus Sicht des Strahlenschutzes keine Gedanken machen – das gilt bundesweit“, erklärt Inge Paulini, Präsidentin des BfS.
Die Daten des Pilzberichts stammen aus Proben, die an ausgewählten Standorten in Deutschland erhoben werden. Je nach Art und Bodenbelastung gibt es deutliche Unterschiede.
Halbwertszeit
Cäsium-137 ist ein künstliches, radioaktives Isotop, das bei der Kernspaltung entsteht. Seine Halbwertszeit beträgt rund 30 Jahre. Das bedeutet: Von den Mengen, die sich 1986 in Österreich und Deutschland ablagerten, ist heute bereits etwa 60 Prozent zerfallen.
Bodenverfügbarkeit
In österreichischen Acker- und Wiesenböden ist das Cäsium nicht mehr für Pflanzen verfügbar und spielt daher laut AGES bei landwirtschaftlichen Produkten keine Rolle mehr. Anders ist das im Waldboden: In der Humusauflage ist Cäsium-137 pflanzenverfügbar. Das heißt, es kann über die Wurzeln aufgenommen werden, sodass Wildtiere es aufnehmen können. Über den Boden gelangt es auch in Wildpilze. Wildfleisch und Pilze werden regelmäßig auf Cäsium-137 kontrolliert. Dies gilt auch für importierte Pilze aus Drittstaaten.
Arten mit besonders hohen Cäsium-137-Gehalten
Zwischen 2022 und 2024 stellten Fachleute besonders hohe Cäsium-137-Gehalte bei Semmelstoppelpilzen, Rotbraunen Semmelstoppelpilzen und Elfenbeinschnecklingen fest – teils über 2.000 Becquerel pro Kilogramm. Werte von über 1.000 Becquerel fanden sich außerdem bei Trompetenpfifferlingen, Maronenröhrlingen, Seidigen Ritterlingen, Dickblättrigen Schwärztäublingen und Blassblauen Rötelritterlingen.
Andere Arten wie der Stadtchampignon, das Judasohr oder der Riesenporling wiesen dagegen durchgehend weniger als 5 Becquerel pro Kilogramm auf. Am Beispiel des Maronenröhrlings lässt sich die zusätzliche Strahlenbelastung verdeutlichen: Der höchste Messwert lag bei 1.400 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm. Würde eine erwachsene Person jede Woche 200 Gramm solcher Pilze essen, ergäbe das eine Zusatzdosis von 0,18 Millisievert pro Jahr – etwa so viel wie drei Flüge von Frankfurt nach New York.
Zusätzlich können Wildpilze Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder Quecksilber anreichern. Aus diesem Grund empfiehlt das BfS, nicht mehr als 200 bis 250 Gramm Wildpilze pro Woche zu essen.
Handelspilze müssen in der EU den Grenzwert von 600 Becquerel einhalten. Bei Zuchtpilzen wie Champignons, Austernseitlingen oder Shiitake ist die Belastung generell sehr gering, da sie auf kontrollierten Substraten wachsen, die kaum radioaktives Cäsium enthalten.
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