Partner hat sich stets wegen anderen Frauen getrennt. Wird er auch mich verlassen?

Leserin Elisabeth (38) fragt:
Mein Partner hat sich wegen mir von seiner Frau getrennt. Und das war nicht das erste Mal: Er ist zweimal geschieden, und jedes Mal war eine andere Frau im Spiel – einmal eben ich. Ich bin zwar jetzt sehr glücklich mit ihm, aber ich frage mich: Was, wenn er es wieder tut und mich wegen einer anderen verlässt? Wirklich ansprechen möchte ich das noch nicht, weil unsere Liebe noch sehr frisch ist. Heirat ist derzeit kein Thema, aber ich könnte mir vorstellen, dass er der Mann meines Lebens ist. Wie kann ich darauf vertrauen?
Antwort:
Ihre Frage berührt ein sehr zentrales Beziehungsthema. Sie haben einen Mann an Ihrer Seite, der sich von seiner Frau getrennt hat, um mit Ihnen zusammen zu sein. Das klingt im ersten Moment wie ein großes Kompliment: „Er hat sie verlassen, weil er mich wollte.“ Doch zugleich weckt es Zweifel – und diese Zweifel sind berechtigt. Denn derselbe Mechanismus, der jetzt für Sie schmeichelhaft ist, könnte sich eines Tages auch gegen Sie wenden.
Dieses Muster, kann auf eine tiefere Dynamik hindeuten: Austauschbarkeit als Maßeinheit von Macht. Wer Beziehungen mehrfach beendet, um in eine neue Partnerschaft zu wechseln, erzeugt beim Gegenüber das Gefühl von Ohnmacht, die Erfahrung, jederzeit ersetzt werden zu können. Gleichzeitig verschafft es ihm selbst ein Gefühl von Macht: Er inszeniert sich als weniger austauschbar, weil er es gar nicht so weit kommen lässt, sondern die Beziehung vorher beendet. Auf diese Weise kontrolliert er, wer bleibt und wer geht, und entzieht sich selbst der Rolle des „Verlassenen“.
Dieses Muster muss nicht aus Berechnung entstehen, sondern kann tiefere Wurzeln haben. Es kann, muss aber nicht damit zu tun haben, dass man in der Kindheit selbst das Gefühl hatte, austauschbar zu sein. Etwa die Geburt eines Geschwisters, das die Aufmerksamkeit der Eltern beansprucht, ein neuer Partner der Mutter oder des Vaters, der Vorrang bekommt. Oder eine frühe Trennung, bei der das Kind das Gefühl hatte, „übrig zu bleiben“. Solche Erlebnisse können so schmerzhaft sein, dass Betroffene sie später unbewusst „umdrehen“: Statt selbst in der ohnmächtigen Rolle zu bleiben, übernehmen sie die „mächtige Seite“ – und geben diese Erfahrung nun anderen weiter.
Hier passt das Konzept der projektiven Identifikation, das aus der psychoanalytischen Tradition stammt. Dabei spaltet ein Mensch ein unerträgliches Gefühl (z. B. Angst, verlassen oder ersetzt zu werden) von sich ab und „legt“ es in die andere Person hinein. Diese spürt dann die Ohnmacht, die er selbst nicht aushalten will. Gleichzeitig kann er sich mit der „starken Seite“ identifizieren – also mit dem, der austauscht, nicht mit dem, der ausgetauscht wird.
Ein weiterer Aspekt ist die narzisstische Zufuhr: Für Sie fühlt es sich zunächst wie ein Gewinn an – Sie wurden gewählt, er hat eine andere Frau für Sie verlassen. Dieses Gefühl gibt Auftrieb und kann das Selbstwertgefühl kurzfristig enorm stärken. Doch genau diese Bestätigung erkaufen Sie sich zum Preis ständiger Unsicherheit: Wenn er dieses Muster schon mehrfach gezeigt hat, bleibt immer die Frage, ob er es nicht wiederholt. Die narzisstische Zufuhr („ich bin die Auserwählte“) kippt dadurch leicht in ein belastendes Gefühl („ich könnte die Nächste sein, die ausgetauscht wird“). So entsteht ein Zwiespalt: Das, was anfangs wie die größte Anerkennung wirkt, trägt den Keim der Ohnmacht bereits in sich.
Das bedeutet nicht, dass Ihre Beziehung zwangsläufig scheitert. Aber es heißt, dass Sie die Dynamik im Blick behalten sollten. Sie sind jetzt in derselben Rolle wie die Ex-Partnerinnen vor Ihnen. Um nicht in diese Abwärtsspirale zu geraten, ist entscheidend, eine andere Rolle für sich zu definieren: die einer Partnerin, die klare Werte und Grenzen hat, die nicht austauschbar ist. Dazu gehört, ehrlich zu prüfen: Bin ich bereit, diese Beziehung mit all ihren Risiken zu tragen? Oder halte ich mir unbewusst selbst ein Hintertürchen offen, weil ich fürchte, dass er „eben so ist“?
Mein Rat: Sprechen Sie Ihre Sorgen behutsam an – nicht als Vorwurf, sondern als Frage nach der gemeinsamen Zukunft. Und überlegen Sie, was Sie als Langzeitpartnerin ausmacht: Ihre Werte, Ihre Grenzen, Ihr Selbstverständnis. Ein geschützter Rahmen wie eine therapeutische Begleitung oder Selbsterfahrungsgruppe kann helfen, diese Fragen zu klären und auch die eigene Ausstrahlung zu reflektieren. Denn manchmal verstärken Partnerinnen unbewusst genau jene Dynamiken, die sie eigentlich fürchten.
Vertrauen entsteht nicht allein durch Gefühle, sondern auch dadurch, dass beide Partner ihre Muster erkennen und bereit sind, sie zu durchbrechen. Ihr Partner kann der Mann Ihres Lebens sein – aber nur, wenn Sie beide den Mut haben, ein neues Drehbuch zu schreiben, in dem Sie bewusst die Rolle einnehmen, mit der Sie sich identifizieren wollen.
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