Impfmüdigkeit: Neue Anreize für alte Probleme

Kostenlose Impfung gegen HPV
Fehlende Aufmerksamkeit ist dem Thema nicht zuzuschreiben: Während mit großem Einsatz für die HPV-Impfung geworben wird und die Politik um die Aufnahme der Impfung gegen Gürtelrose als Kassenleistung kämpft, zeigen Erreger von Masern bis Keuchhusten, dass sie sich nicht unterkriegen lassen – im Gegenteil: Die Fallzahlen steigen stetig, dabei könnten die beiden Erkrankungen längst ausgerottet sein. Immunologen warnen bereits vor „einer Welt nach der Herdenimmunität“, die ihnen zufolge auch auf die bedenklich starke Impfmüdigkeit zurückzuführen ist. Mit einer Durchimpfungsrate von 84 Prozent zählt Österreich etwa bei Keuchhusten zu den Schlusslichtern Europas, gegen Influenza ließen sich in der vergangenen Saison nur 15 Prozent impfen, und Masernfälle haben sich zuletzt im Vergleich zu 2023 fast verdreifacht. Einige davon ließen sich mit einer Immunisierung vermeiden, doch die Impfbereitschaft ist niedrig und seit Corona gesunken.
Teure Auffrischungen
Das hat enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf das Gesundheitssystem. Problematisch hinzu kommt: Für Erwachsene gibt es empfohlene Auffrischungen – wie gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten – doch werden sie nicht ohnehin vergessen, müssen sie auch selbst bezahlt werden. Rund 30 Euro kostet diese Impfung, plus Ordinationsgebühr. Hepatitis A+B, eine Impfung die besonders bei Reisenden aufgefrischt werden sollte, schlägt sich bei Erwachsenen gar mit 95 Euro zu Buche. Es ist zwar vorbildlich, dass die meisten Stiche für Kinder kostenlos sind, doch um das Bewusstsein für Erwachsene zu schärfen, braucht es dringend neue Anreize. Eine Steuerentlastung bei der Krankenversicherung ist etwa eine Idee, die in einigen Ländern Europas diskutiert wird. Denn Impfungen kostenfrei anzubieten, reicht offenbar nicht: Zwar wurde die Nachhol-Impfaktion für 21- bis 30-Jährige gegen HPV angenommen und bis Mitte 2026 verlängert. Doch mit einer Durchimpfungsrate von derzeit nur 52 Prozent unter den 14-Jährigen bleibt das WHO-Ziel von 90 Prozent bis 2030 in weiter Ferne. Dabei senkt dies das Risiko etwa für Gebärmutterhalskrebs um bis zu 90 Prozent.
Es ist also mehr als einen kurzen Gedanken wert, zu motivieren, um etwaige spätere, teure Behandlungen zu vermeiden. Und es braucht ein Umdenken in der Bevölkerung, das Erkennen der Bedeutung des Gemeinwohls in einer Welt der Individualität. Krankheiten, die ausgerottet werden können, sollten auch ausgerottet werden. Erreger werden immer resistenter – das Morgen hält uns also ohnehin schon neue, gar noch größere Probleme bereit.
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