Ich liebe, aber habe Angst, verletzt zu werden

Hedge with a heart-shaped hole
Wer Angst hat, in der Liebe verletzt zu werden, hat etwas verstanden. Eine solche Zuneigung fordert heraus, sagt Psychologin Prof. Dr. Tatjana Schnell.

Wer liebt, riskiert Verletzung; doch nur wer sich öffnet, kann auch wirklich berührt werden. Eine Einladung, die Liebe neu zu denken: nicht als romantisches Ideal, sondern als existenziellen Akt der Hingabe und Freiheit.

Was kann man tun?

Laut Grimms Wörterbuch ist Liebe die „innige Zuneigung eines Wesens zu einem anderen“. Innig heißt tief gefühlt, verknüpft, verbunden und im Innersten empfunden. Wer Angst hat, in der Liebe verletzt zu werden, hat also etwas verstanden. Eine solche Zuneigung fordert mich heraus. Es geht nicht nur um freundliche Anteilnahme, materielle Unterstützung, gemeinsamen Spaß; Liebe ist mehr. Innige Zuneigung kommt aus unserem Innersten, und sie öffnet dieses Innerste einem anderen Menschen. Nur so kann ich berührt werden. Und so kann ich verletzt werden. 

Solange ich mich vor Verletzung schütze, bleibe ich unzugänglich. Erst die Öffnung hin zum anderen macht mich berührbar. Liebe ist nichts für Feiglinge. Sie ist ein bewusster Akt: Zu lieben bedeutet sich einzulassen, und sich damit – ungeschützt und ohne Vorbehalt – der Möglichkeit der Zurückweisung, des Schmerzes oder Verlusts zu stellen. Im Lieben, wie ganz allgemein im Leben, begegnen wir immer wieder solch existenziellen Spannungen. Erfahrungen werden dann bedeutsam, echt und innig, wenn wir uns einlassen. Auf das Leben an sich, auf eine andere Person. Gleichzeitig steigt mit dieser Verbundenheit auch die Sorge. Wir sorgen uns um das, was uns am Herzen liegt.

Und das ist wahrscheinlich auch gut so.

Letztendlich ist es eine freie, persönliche Entscheidung: Will ich möglichst sorgenfrei durchs Leben gehen? An der Oberfläche bleiben, mein Innerstes nicht berühren lassen? Oder will ich mehr? Erfahrungen von Verbundenheit, tiefem Glück, geteiltem Durchhalten und gemeinsamer Entwicklung beruhen auf gegenseitiger Verfügbarkeit. Dass uns das Angst macht, ist normal. Dass wir der Angst trotzen – ist Liebe.

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