Entzug nach Absetzen von Antidepressiva dauert länger als gedacht

Mann mit Depression
Antidepressiva gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten - setzt man sie ab, dauert der Entzug länger als angenommen.

Von Elaine Poet

Viele Menschen leiden nach dem Absetzen eines Antidepressivums über Monate oder Jahre unter Entzugserscheinungen. Das fanden Forschenden der Kalaidos Fachhochschule in Zürich heraus. Das sogenannte post-akute Entzugssyndrom (PAWS) ist ein Zustand, bei dem ursprüngliche Symptome in erhöhter Intensität zurückkehren oder neue Symptome auftreten.

Die Studie analysierte wissenschaftliche Literatur zu PAWS, wobei man signifikante Unterschiede in der Dauer und Schwere der Symptome fand. Diese können von Stimmungsschwankungen und Angststörungen bis hin zu Schlafproblemen und Reizbarkeit reichen. Betroffene berichteten, dass insbesondere emotionale Instabilität und körperliches Unwohlsein ihre Lebensqualität stark beeinträchtigten. In einigen Fällen suchten Patienten Unterstützung in Online-Foren und Selbsthilfegruppen.

Jahrelange Symptome

Besonders auffällig: Das post-akute Entzugssyndrom kann auch dann auftreten, wenn das Medikament langsam ausgeschlichen wird, was darauf hinweist, dass die zugrunde liegenden Mechanismen noch nicht vollständig verstanden werden. Auch die Dauer der Symptome variiert erheblich – von 1,5 Monaten bis zu 14 Jahren. Eine Online-Umfrage unter Betroffenen zeigte eine durchschnittliche Dauer von etwa zwei Jahren.

Begrenzte Therapieansätze

Es gibt bislang nur wenige Behandlungsmöglichkeiten, die sich als effektiv erwiesen haben. Einige Patienten berichteten, dass eine erneute Behandlung mit dem jeweiligen Antidepressivum Linderung brachte, während andere mit Benzodiazepinen, also Medikamenten, die gegen Angststörungen eingesetzt werden, oder kognitiver Verhaltenstherapie eine Verbesserung erfuhren.

Die Forscher betonen, dass die klinische Praxis unter den fehlenden Erkenntnissen leidet. Viele Ärzte erkennen die Entzugssymptome nicht oder deuten sie falsch, was dazu führt, dass betroffene Patienten oft keine angemessene Behandlung erhalten. Daher fordern die Experten klarere diagnostische Leitlinien und weitere Forschung, um das Ausmaß und die Behandlung von PAWS besser zu verstehen.

Die Studie wurde im Journal Epidemiology and Psychiatric Sciences veröffentlicht. 

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