Ein Akutspital ist kein Pflegeheim

Berufsrettung im Einsatz.
Die Verantwortung endet nicht an der Spitalstür. Wenn Pflegeengpässe zum Einweisungsgrund werden, geraten Akutspitäler an ihre Grenzen – zulasten jener, die dringend Hilfe brauchen. Ein Gastkommentar von Univ.-Prof. Dr. Monika Ferlitsch.

Als Primarärztin in einem Akutkrankenhaus sehe ich mich tagtäglich mit der Herausforderung konfrontiert, den vorhandenen Platz unserer Abteilung bestmöglich für jene Menschen zu nutzen, die ihn dringend benötigen: akut erkrankte Patientinnen und Patienten, die einer sofortigen medizinischen Abklärung oder Behandlung bedürfen. In letzter Zeit beobachten wir jedoch vermehrt eine problematische Entwicklung: Angehörige von pflegebedürftigen Menschen bringen diese im Vorfeld eines geplanten Urlaubs ins Krankenhaus – nicht aufgrund einer medizinischen Indikation, sondern weil die Pflege über die Urlaubstage hinweg nicht anders organisiert wurde. Ich möchte an dieser Stelle eines deutlich machen: Ein Akutspital ist keine Auffangstation für private Betreuungsengpässe. Wir haben die Aufgabe, medizinische Notfälle zu behandeln, Diagnosen zu stellen und akute Krankheitsbilder zu stabilisieren. Sobald die akute medizinische Versorgung abgeschlossen ist, erfolgt die Entlassung – so sieht es der gesetzliche und medizinisch-ethische Auftrag vor. Für bestimmte medizinische Diagnosen gibt es auch eine anzunehmende Aufenthaltsdauer. Nach der Lösung des akuten medizinischen Problems erfolgt eine Entlassung. Wenn pflegebedürftige Menschen aus rein organisatorischen Gründen aufgenommen werden, blockieren sie ein Bett, das für jemand anderen lebensrettend wäre. Akutbetten sind keine Ressource, die „vorsorglich“ beansprucht werden kann. Die Verantwortung für die Pflege von Angehörigen endet nicht automatisch mit dem Weg ins Krankenhaus.

Selbstverständlich verstehen wir, dass die häusliche Pflege eine enorme Belastung darstellen kann – insbesondere dann, wenn die Pflegeperson selbst eine Pause benötigt. Urlaub ist wichtig, auch für pflegende Angehörige. Aber diese Auszeit muss verantwortungsvoll vorbereitet werden. In Österreich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, temporäre Pflegeunterbringung zu organisieren: Kurzzeitpflege in Pflegeheimen, mobile Pflegedienste oder auch die Inanspruchnahme von Pflegeurlaub oder Pflegekarenz. Der Hausarzt oder der Fonds Soziales Wien können bei der Organisation helfen. Für uns im Spital bedeutet jede unnötige Belegung nicht nur eine Herausforderung für das medizinische Personal, sondern vor allem eine Gefahr für jene, die tatsächlich akut medizinische Hilfe brauchen – Personen mit Herzinfarkt, akuten Magen- oder Darmblutungen, Infektionskrankheiten, Lungenkrebs, Menschen nach einem Schlaganfall oder mit schweren Stoffwechselentgleisungen.

Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen rasch, effizient und mit hoher Qualität zu helfen. Dafür brauchen wir die Betten – und die Verantwortung der Gesellschaft, uns als Akutspital auch tatsächlich als das zu verstehen, was wir sind: eine medizinische Notfall- und Akutversorgungseinrichtung. Die Pflege chronisch kranker oder dauerhaft betreuungsbedürftiger Menschen gehört nicht hierher. Wir sind für Sie da, wenn es ernst wird. Bitte helfen Sie uns, diese Hilfe jenen zukommen zu lassen, die sie wirklich brauchen.

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