Es geht um die Haut – und um Natürlichkeit. Neue Methoden und Behandlungen überschwemmen den Markt der Schönheitsindustrie. Dr. Marietta Wunsch-Weinmann ist Fachärztin für Dermatologie und Venerologie mit Ordinationen in Wien und Perchtoldsdorf, arbeitet seit 20 Jahren im Bereich der Ästhetischen Medizin und ortet Trends mit großer Wirkung.
KURIER leben: In der ästhetischen Dermatologie gibt es viel Neues. Was ist am gefragtesten?
Dr. Marietta Wunsch-Weinmann: In der minimalinvasiven ästhetischen Medizin gibt es, neben den herkömmlichen Fillern zum Volumenaufbau oder der muskelentspannenden Substanz Botulinum Toxin, einen starken Trend hin zu Bioregeneration und Biostimulation. „Collagen banking“ ist ein präventiver Ansatz, der darauf abzielt, die natürliche Kollagenproduktion der Haut zu maximieren und zu erhalten. Kollagen ist das wichtigste Stützprotein unserer Haut, das ihr Straffheit, Festigkeit und ein faltenfreies Erscheinungsbild schenkt. Bereits ab Mitte 20 bis Anfang 30 reduziert aber der Körper schon wieder diese Kollagenproduktion.
Der Zeitpunkt, ab dem die Haut altert?
Richtig, ab 30 wird jährlich ein Prozent dieses wichtigen Stützproteins bereits wieder abgebaut, dessen Verlust uns dann im Laufe der folgenden Jahre das eine oder andere Fältchen bringt. Nun wird mit richtiger Lebensweise und neuesten Behandlungen versucht, frühzeitig diesen Abbau zu stoppen und den Kollagengehalt der Haut möglichst gut zu erhalten. Also einem Investment für die Zukunft entsprechend.
Und was hilft, wenn man 45 Jahre oder älter ist?
Bis zum 40. Lebensjahr nimmt die Kollagenproduktion tatsächlich ab, aber auch da kann man noch immer beginnen, diese wieder zu stimulieren und die Haut bei deren Aufbau zu unterstützen.
Wie funktioniert das?
Eine proteinreiche Ernährung mit viel Vitamin C sowie Zink, Selen, Kieselsäure, Eisen, Kupfer und Mangan unterstützen den Kollagenaufbau und verleihen unserer Haut einen frischen Glow. Von zu viel Kohlenhydraten und Zucker ist abzuraten, denn Zucker schädigt die kollagenen Fasern, indem er sie steif und brüchig macht und ihren Abbau beschleunigt.
Im Gespräch mit Marlene Auer: Dr. Marietta Wunsch-Weinmann in ihrer Ordination in der Wiener Innenstadt
Was bringen die Kollagen-Produkte im Lebensmittelbereich, etwa Drinks?
Regelmäßig eingenommen können sie unsere Haut, Haare, Nägel und Gelenke positiv und unterstützend beeinflussen. Wichtig ist, dass das Kollagen in hydrolysierter Form, also in besonders kleinen Bestandteilen, eingenommen wird. Sonst kann es von der Magenschleimhaut gar nicht aufgenommen werden.
Wie kann man die Kollagenproduktion außerdem anregen?
Regelmäßig angewendete Hautpflegeprodukte wie Seren mit Retinol, Vitamin C, Peptiden, Exosomen oder Wachstumsfaktoren unterstützen die Hautregeneration und stimulieren sehr effektiv die Kollagenproduktion. Ganz wesentlich ist aber bei unseren Bemühungen, ein gesundes und schönes Hautbild zu erhalten, nicht auf den täglichen Sonnenschutz zu vergessen. 90 Prozent der Hautalterungszeichen sind auf die UV-Strahlung der Sonne zurückzuführen. Während die UV-B Strahlen in die oberste Hautschicht eindringen und für Bräunung und Sonnenbrand verantwortlich sind, gelangen die UV-A Strahlen – die 95 Prozent der UV-Strahlen ausmachen – tiefer in die Haut, zerstören dort die kollagenen und elastischen Fasern unseres Hautstützgerüstes und führen so zu vorzeitiger Hautalterung. Außerdem sind sie für die Hautkrebsentstehung verantwortlich.
Wichtig zu wissen ist, dass die UV-A-Strahlung, im Gegensatz zu den UV-B-Strahlen, das ganze Jahr, unabhängig vom Wetter oder der Jahreszeit, gleich stark ist und auch Glas durchdringen kann. Es braucht also das ganze Jahr über, auch im Winter und an bewölkten Tagen, Sonnenschutz, denn auch wenn man im Büro am Schreibtisch hinter der Fensterscheibe oder im Auto sitzt, dringt UV-A-Strahlung in die Haut ein und das wiederum führt durch den Bindegewebsabbau zur Faltenbildung. Im Flugzeug entspricht, was UV-A betrifft, eine Stunde am Fenster 20 Minuten im Solarium. Der vor den UV-A-Strahlen schützende Anteil in Sonnencremen sollte mindestens ein Drittel des angebenden UV-B-Anteils ausmachen, was auf den meisten Cremen mit dem UVA im Kreis bzw. mit PA+++ gekennzeichnet ist.
Gibt es auch medizinisch angestoßene Kollagenproduktion?
Eine der neuesten Entwicklungen in der Welt der ästhetischen Medizin sind die injizierbaren Polynukleotide. Diese werden meist aus natürlichen Quellen, wie aus Süßwasserfischen gewonnen und hochgereinigt. Da sie für den Menschen biokompatibel sind, werden sie gut vertragen und lösen selten unerwünschte Reaktionen aus. Durch ihre hoch regenerativen Eigenschaften bewirken sie ein strahlenderes Hautbild, mehr Festigkeit und verringern dadurch feine Fältchen. Außerdem wirken sie entzündungshemmend und haben einen hydratisierenden Effekt auf die Haut.
Wie oft muss man das spritzen?
Es werden drei bis vier Behandlungen im Abstand von jeweils vier Wochen durchgeführt. Nach neun bis zwölf Monaten werden Auffrischungssitzungen empfohlen.
Was bringt eine Needling-Behandlung? Auch davon hört man eine Menge.
Das Needling ist vor vielen Jahren eingeführt worden und aufgrund seiner Wirksamkeit eine häufig angewandte Behandlungsmethode. Durch die kontrollierten Mikroverletzungen der Haut wird die Kollagen- und Hyaluronsäureproduktion angekurbelt. Dadurch entsteht ein frischeres, strahlenderes und natürliches Hautzustandsbild. Regelmäßig angewandt, kann man mit dieser Behandlungsmethode wunderschöne Effekte erzielen.
Werden Männer und Frauen unterschiedlich behandelt, in der ästhetischen Medizin?
Aufgrund der höheren Hautdicke und Gewebestärke ergeben sich bei Männern Unterschiede hinsichtlich benötigter Substanzeinheiten und Energiestärken. Ansonsten buchen Männer in der Zwischenzeit dieselben Behandlungen wie Frauen.
Kommt ein 50-jähriger Mann zu Ihnen in die Praxis und möchte eine schönere Haut, was ist der erste Schritt?
Die meisten Männer möchten ihrem Aussehen wieder mehr Frische verleihen. Da im Zuge des Alterungsprozesses hauptsächlich Knochen und Fett abgebaut werden, folgt die Haut gemäß der Schwerkraft nach unten, weil das wichtige Füllvolumen im Schläfenbereich, Mittelgesicht sowie entlang des Unterkiefers verloren gegangen ist. Dieses gilt es mit Hyaluronsäurefillern oder Biostimulatoren dezent und gekonnt wieder aufzubauen. Oberstes Ziel bei Unterspritzungen ist, durch richtig gesetzte Proportionen und Konturen, dem Gesicht wieder mehr Frische und Vitalität zu verleihen.
Prinzipiell haben diese Unterspritzungen, abhängig von der Qualität des verwendeten Produktes, Haltbarkeiten von einem bis sogar mehreren Jahren. Erfreulich ist, und ich fühle mich in meiner langjährigen Arbeit bestätigt, dass die Entwicklung in der ästhetischen Medizin generell wieder in Richtung mehr Natürlichkeit geht.
Die Sommersaison naht, was tut sich auf dem Gebiet der Besenreiser?
Zur Bekämpfung der Besenreiser gibt es Gefäßlaser. Aber auch die seit vielen Jahren altbewährte Methode der Verödung mittels Aethoxysklerol wird erfolgreich angewendet. Die größeren Varizen können endoluminal mit Laser oder Radiowellen verschlossen werden.
Und bei Cellulite?
Cellulite betrifft hauptsächlich Frauen, da die Bindegewebsstruktur von Frauen anders aufgebaut ist, als die der Männer. Das Bindegewebe von Frauen ist lockerer, damit sich die Haut bei einer Schwangerschaft dehnen kann. Außerdem macht das Hormon Östrogen die Fasern des Gewebes elastischer und so entstehen dehnbare Zwischenräume zwischen den senkrecht verlaufenden Bindegewebssträngen, die sich dann nach außen vorwölben. Neben gesunder Ernährung ist regelmäßige sportliche Aktivität wichtig, um Cellulite zu mildern. Bewegung fördert die Durchblutung des Bindegewebes, stärkt die Muskulatur und reduziert den Körperfettanteil, wodurch Cellulite weniger ausgeprägt ist. Hilft das alles nicht, gibt es medizinische Anwendungen in den Ordinationen, die durch kontrolliert applizierte Hitze im Gewebe, überschüssige Fettzellen zerstören und die Bindegewebsfasern straffen können, sodass ein glatteres Hautbild erzielt wird.
„Eine der neuesten Entwicklungen in der ästhetischen Medizin sind die injizierbaren Polynukleotide. Diese werden etwa aus Süßwasserfischen gewonnen. Durch ihre hoch regenerativen Eigenschaften bewirken sie ein strahlenderes Hautbild.“
von Dr. Marietta Wunsch-Weinmann
Thema in der Schönheitsindustrie ist auch die Fett-Weg-Spritze.
Diese gibt es schon seit vielen Jahren und sie bewährt sich seitdem besonders gut bei kleineren Fettdepots, die wir etwa im Doppelkinnbereich oder bei den Hängebäckchen haben. Bis auf einzelne kleine blaue Flecken durch die Nadeleinstiche oder eine minimale Schwellung für 24 Stunden ist hier nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen.
Welche Behandlungsmethoden haben besonderes Zukunftspotenzial?
Auf dem Gebiet der „Energy based devices“ tut sich gerade sehr viel. Durch kontrolliertes Platzieren von Energie bzw. Hitze im Gewebe können einerseits überschüssige Fettzellen entfernt werden und andererseits kann durch gleichmäßige Energieabgabe die Haut gestrafft werden. Dadurch können wunderschöne, lang anhaltende Effekte erzielt werden, mit nur kurzen Ausfallzeiten. Hier sind vor allem Radiofrequenz-Needling, HIFU als auch die neuen invasiven Laserverfahren nennenswert.
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