Altershirndruck: Was bedeutet die Diagnose für Sänger Billy Joel?

Musiker Billy Joel am Klavier
Bei Sänger Billy Joel wurde Normaldruckhydrozephalus diagnostiziert, eine seltene neurologische Erkrankung, die schleichend voranschreitet. Rechtzeitig erkannt, stehen die Behandlungschancen ganz gut.

Er gilt als eine der letzten großen Stimmen des amerikanischen Rock-Pop. Jetzt leidet der „Piano Man“ an einer seltenen neurologischen Erkrankung, die ihn veranlasst hat, alle bevorstehenden Konzerte abzusagen: der sogenannte Normaldruckhydrozephalus (NPH), auch bekannt als „Altershirndruck“.

Was ist ein Normaldruckhydrozephalus?

Beim Normaldruckhydrozephalus (NPH) nimmt der Körper das Hirnwasser – die sogenannte Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit – nicht mehr richtig auf. Obwohl der Hirndruck dabei meist nicht dauerhaft erhöht ist, staut sich die Flüssigkeit in den Hirnkammern. Die Folge: Das Gehirn wird nach außen gedrückt – mit teils gravierenden Auswirkungen auf Bewegungsabläufe, Denkvermögen und Blasenkontrolle. Wird die Erkrankung nicht behandelt, schreitet sie langsam, aber stetig fort.

Die typischen Symptome

Typisch dafür sind folgende Symptome, die auch unter "Hakim-Trias", benannt nach dem kolumbianischen Neurochirurgen Solomon Hakim, bekannt ist:

  1. Gangstörungen
  2. Harninkontinenz
  3. Kognitive Beeinträchtigungen

Die Symptome entwickeln sich langsam, oft über Wochen und Monate hinweg, und werden von Betroffenen wie auch von Ärztinnen und Ärzten zunächst leicht mit Alterserscheinungen, Parkinson oder beginnender Demenz verwechselt.

Das auffälligste und zugleich früheste Anzeichen ist in den meisten Fällen eine Gangstörung. Rund 88 Prozent der Betroffenen zeigen sie als erstes Symptom. Der Gang wird kleinschrittig, langsam und wirkt, als würden die Füße „am Boden kleben“. Dieses typische „magnetische Gangbild“ ist für Außenstehende oft irritierend: Betroffene erscheinen wackelig auf den Beinen, haben Mühe mit Richtungswechseln und Drehbewegungen und stürzen häufiger. Viele berichten, sie fühlten sich wie „ferngesteuert“ oder „unsicher im eigenen Körper“.

Im weiteren Verlauf tritt bei etwa der Hälfte der Patientinnen und Patienten eine Harninkontinenz auf. Diese Blasenentleerungsstörung hat neurologische Ursachen: Die Steuerung durch das Gehirn ist beeinträchtigt, sodass der Harndrang nicht mehr zuverlässig wahrgenommen oder kontrolliert werden kann. Die Folgen reichen von unkontrollierbarem Harndrang bis hin zum vollständigen Kontrollverlust über die Blase.

Meist erst in fortgeschrittenem Stadium zeigen sich kognitive Beeinträchtigungen. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Demenz, aber um Symptome, die ihr ähneln: Gedächtnisprobleme, Orientierungslosigkeit, eine auffällige psychomotorische Verlangsamung sowie Antriebsmangel und emotionale Abflachung. 

Wird der Normaldruckhydrozephalus nicht erkannt und behandelt, schreitet die Erkrankung chronisch und stetig fort. Je länger die Hirnkammern durch die Flüssigkeitsansammlung gedehnt werden, desto größer ist das Risiko bleibender Schäden – sowohl körperlich als auch geistig.

OP als einzige Therapiemöglichkeit

Die Diagnose eines Normaldruckhydrozephalus ist oft ein Wendepunkt – denn anders als bei vielen anderen neurodegenerativen Erkrankungen gibt es eine wirksame Behandlung. Zwar steht keine konservative, also medikamentöse oder physikalische, Langzeittherapien zur Verfügung, ein operativer Eingriff kann bei vielen Betroffenen aber die Symptome erheblich lindern, oder sogar ganz verschwinden lassen.

Der Weg zur richtigen Diagnose führt dabei meist über mehrere Stationen. Neben der Bildgebung durch MRT kommt ein sogenannter Liquorablass-Test zum Einsatz, meist in Form einer Lumbalpunktion. Dabei wird Hirnflüssigkeit aus dem Rückenmark entnommen, wodurch sich vorübergehend der Druck in den Hirnkammern verringert und wiederum das Gehirn entlastet. Bei vielen Betroffenen bessert sich dadurch das Gangbild merklich, was wiederum als starkes Indiz für einen Normaldruckhydrozephalus gilt. 

Behandlung durch Shunt-OP

Die derzeit effektivste Therapie ist ein chirurgischer Eingriff: die Implantation eines sogenannten ventrikuloperitonealen Shunts (kurz: VP-Shunt). Dabei wird ein dünner Schlauch in die Hirnkammern gelegt, über den das überschüssige Hirnwasser kontinuierlich in den Bauchraum abgeleitet wird – ein Bereich des Körpers, in dem es problemlos resorbiert werden kann.

Ein kleines, unter der Haut liegendes Ventilsystem, meist hinter dem Ohr platziert, reguliert den Abfluss. Moderne Systeme sind verstellbar und können individuell angepasst werden. Um eine Überdrainage beim Aufstehen zu verhindern, kann zusätzlich eine Gravitationseinheit eingebaut werden, die auf Lageveränderungen des Körpers reagiert.

Der Eingriff gilt als weltweit etablierter neurochirurgischer Standard, wird regelmäßig durchgeführt und ist – vor allem bei früher Diagnose – mit einer sehr guten Prognose verbunden. 

In bestimmten Fällen kommen alternative Ableitungssysteme zum Einsatz, etwa der ventrikuloatriale Shunt, bei dem das Hirnwasser in den rechten Herzvorhof geleitet wird, oder der lumboperitoneale Shunt, bei dem der Abfluss aus dem unteren Rückenmark erfolgt. Eine weitere Möglichkeit ist die endoskopische Drittventrikulostomie – ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem eine Verbindung zwischen den inneren und äußeren Hirnwasser-Räumen geschaffen wird.

Wie bei jedem operativen Eingriff gibt es auch bei der Shunt-Implantation Risiken. Dazu zählen Infektionen, Blutungen, epileptische Anfälle, mechanische Probleme wie Verstopfungen oder eine spätere Lockerung bzw. Fehlfunktion des Systems. Moderne Technik und engmaschige Nachsorge haben diese Risiken jedoch deutlich reduziert.

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