Adipositas beginnt im Kopf

Bereits fünf Tage Junkfood können die Insulinwirkung im Gehirn stören und so der Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes den Weg ebnen.
Insulin ist vor allem als blutzuckersenkendes Hormon bekannt. Doch es erfüllt auch eine zentrale Funktion im Gehirn: Dort wirkt es appetitzügelnd und reguliert das Essverhalten. Bei gesunden Menschen sorgt Insulin im zentralen Nervensystem dafür, dass der Körper erkennt, wann genug Energie aufgenommen wurde. Genau dieser Mechanismus scheint jedoch bei Menschen mit Adipositas nicht mehr richtig zu funktionieren. Ihr Gehirn wird insulinresistent.
Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen, Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) legt nun nahe: Bereits eine sehr kurze Phase ungesunder Ernährung kann die Insulinempfindlichkeit im Gehirn spürbar stören, auch bei gesunden, normalgewichtigen Menschen.
Gehirn reagiert messbar
In der Studie wurden 29 gesunde, normalgewichtige Männer untersucht. Eine Hälfte der Teilnehmer erhielt fünf Tage lang zusätzlich zur normalen Ernährung rund 1500 Kalorien täglich in Form von hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Chips und Schokoriegeln. Die Kontrollgruppe aß unverändert weiter.
Anschließend wurde mithilfe von Magnetresonanztomografie (MRT) gemessen, wie empfindlich das Gehirn auf Insulin reagiert. Das Ergebnis: Schon nach diesen wenigen Tagen war die Insulinwirkung im Gehirn der Snack-Gruppe deutlich abgeschwächt – ein Zustand, der sonst nur bei Menschen mit starkem Übergewicht bekannt ist. Auch der Fettgehalt der Leber war gestiegen.
Bemerkenswert: Selbst eine Woche nach Rückkehr zur normalen Ernährung war die Insulinempfindlichkeit im Gehirn weiter verringert – der Effekt blieb also bestehen.
In Österreich sind laut Gesundheitsministerium rund 2 Millionen Menschen übergewichtig, etwa 700.000 davon gelten als adipös (Body-Mass-Index über 30). Die Folgen sind gravierend: Ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar bestimmte Krebsarten.
Gehirn als Frühwarnsystem?
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Gehirn sehr schnell und empfindlich auf hochkalorische Ernährung reagiert – noch bevor es zu einer sichtbaren Gewichtszunahme kommt“, erklärt Studienleiterin Stephanie Kullmann. Daraus ergibt sich ein neuer Blick auf die Entstehung von Adipositas: Nicht nur das Essverhalten führt zu Übergewicht, sondern auch Veränderungen im Gehirn können Essverhalten und Stoffwechsel langfristig beeinflussen.
Andreas Birkenfeld, Mitautor der Studie, fordert daher eine stärkere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Einfluss des Gehirns auf Stoffwechselerkrankungen. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, Adipositas künftig früher zu erkennen und besser zu behandeln.
Die Studie wurde im Journal nature metabolism veröffentlicht.
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