Abnehmen: Es kommt nicht nur auf die Kalorien an

Hochverarbeitete Lebensmittel bremsen die Gewichtsabnahme und stehen im Verdacht, zahlreiche Krankheiten zu fördern.
Fertiggerichte – oder präziser gesagt: hochverarbeitete Lebensmittel – erleichtern den (Arbeits-)Alltag und gelten darüber hinaus nicht automatisch als „Junkfood“. Viele sind kalorienarm und sogar ausgewogen. Dennoch zeigt eine neue britische Studie, dass sie das Abnehmen im Vergleich zu frisch zubereiteten Speisen erschweren. Außerdem steht der Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln in Zusammenhang mit einer Vielzahl chronischer und psychischer Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Depression. Das zeigt eine Übersichtsarbeit, die 2024 im British Medical Journal veröffentlicht wurde. Besonders bei Kindern wurde eine Verschlechterung der Nierenfunktion sowie ein vermehrtes Auftreten von Atemproblemen festgestellt.
Kalorien gleich – Ergebnis ungleich
Die Forschenden des University College London belieferten 55 übergewichtige und adipöse Erwachsene abwechselnd mit zwei Ernährungsformen: zum einen hochverarbeitete Fertiggerichte, zum andren frisch zubereitete, minimal verarbeitete Speisen. Sie mussten sich jeweils acht Wochen lang ausschließlich davon ernähren. Danach folgte eine vierwöchige Pause.
Beide Ernährungsweisen hatten identischen Energiegehalt und ähnliche Anteile an Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Die Teilnehmenden wussten zudem nicht, dass es in der Studie eigentlich ums Abnehmen ging. Sie durften essen, wann und so viel sie wollten. Dennoch war in beiden Gruppen eine Gewichtsreduktion zu beobachten.
Das Resultat: Die Frischkost-Gruppe nahm im Schnitt 2,06 Prozent ihres Ausgangsgewichts ab, die Fertiggericht-Gruppe nur 1,05 Prozent. Auch Body-Mass-Index und Körperfettanteil verbesserten sich bei der frischen Kost signifikant stärker. Hochgerechnet auf ein Jahr ergäbe das bei Männern rund 13 Prozent Gewichtsverlust mit frischer Kost gegenüber nur 4–5 Prozent mit Convenience-Produkten.
Weniger Heißhunger, mehr Sättigung
Ein weiterer Unterschied: Teilnehmende mit frischer Kost berichteten über deutlich weniger Heißhungerattacken und Appetit auf Süßes oder Fastfood. Sie aßen zudem insgesamt weniger, obwohl die Essensmenge nicht begrenzt war. Die Forscher vermuten, dass hochverarbeitete Lebensmittel durch weiche Konsistenz, starke Süße und schnelle Verdaulichkeit das Sättigungsgefühl verzögern. Rasch ansteigende und wieder abfallende Blutzuckerwerte könnten zusätzlich zu erneutem Hunger führen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es beim Abnehmen nicht nur auf die Kalorien ankommt, sondern auch auf den Verarbeitungsgrad der Lebensmittel“, sagt Koautor Chris van Tulleken. Dennoch halten die Studienautoren einen kompletten Verzicht im Alltag für unrealistisch. Sinnvoll sei, den Anteil hochverarbeiteter Produkte zu reduzieren und, wo möglich, auf ballaststoffreiche, frische Lebensmittel wie Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Fisch zu setzen.
Auch Krankheitsrisiko deutlich erhöht
Dass der regelmäßige Verzehr verarbeiteter Lebensmittel auch in Zusammenhang mit einer Vielzahl chronischer und psychischer Erkrankungen steht, zeigt eine umfassende Übersichtsarbeit. Der 2024 im British Medical Journal veröffentlichte „Umbrella Review“ wertete 39 Metaanalysen zu Ultra-Processed Foods (UPFs) aus und ergänzte sie um 122 neue Studien.
Ergebnis: Besonders belastbare Belege fanden die Forschenden für eine Verschlechterung der Nierenfunktion und Atemprobleme bei Kindern. Zudem deutet die Analyse auf ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus, Übergewicht, Adipositas sowie Depressionen und andere psychische Störungen hin. Weitere, wenn auch schwächer belegte, Zusammenhänge betreffen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Sterblichkeit und Angststörungen.
Die NOVA-Klassifikation ist ein System zur Einteilung von Lebensmitteln nach ihrem Verarbeitungsgrad, nicht nach Nährwert oder Herkunft. Hervorzuheben ist: Sie bewertet nicht direkt, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund ist – sie fokussiert auf den Verarbeitungsgrad und wurde von Forschenden der Universität São Paulo entwickelt.
Es gibt vier Hauptgruppen:
1. Unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel
- Definition: Natürliche Lebensmittel, die nur durch einfache Verfahren wie Waschen, Schälen, Zerkleinern, Trocknen, Einfrieren oder Pasteurisieren haltbar oder verzehrfertig gemacht wurden.
- Beispiele: Frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Eier, Milch, frisches Fleisch, Getreide, gefrorenes Gemüse ohne Zusätze.
2. Verarbeitete kulinarische Zutaten
- Definition: Stoffe, die aus natürlichen Lebensmitteln oder der Natur gewonnen werden und zum Kochen bzw. Zubereiten genutzt werden.
- Beispiele: Zucker, Salz, Pflanzenöle, Butter, Honig, Stärke.
- Hinweis: Sie werden meist mit Gruppe-1-Lebensmitteln kombiniert.
3. Verarbeitete Lebensmittel
- Definition: Produkte aus Gruppe-1-Lebensmitteln, die mit Zutaten aus Gruppe 2 haltbar gemacht oder geschmacklich verändert wurden.
- Beispiele: Käse, Brot (aus Mehl, Wasser, Salz, Hefe), Obst in Sirup, Dosengemüse mit Salz, Räucherfisch.
- Merkmale: Wenige Zutaten, meist noch leicht erkennbar.
4. Ultra-verarbeitete Lebensmittel (UPFs)
- Definition: Industriell hergestellte Produkte mit vielen Zutaten, darunter Zusatzstoffe, die in der häuslichen Küche unüblich sind (Farbstoffe, Aromastoffe, Emulgatoren).
- Beispiele: Softdrinks, Chips, Süßigkeiten, Fertiggerichte, Frühstückscerealien mit Aromen, Instantnudeln.
- Merkmale: Starke Verarbeitung, oft sehr schmackhaft gemacht, hoher Zucker-, Fett- oder Salzgehalt, geringe Nährstoffdichte.
Untersucht wurde der Konsum nach der so genannten NOVA-Klassifikation, die Lebensmittel nach ihrem industriellen Verarbeitungsgrad einteilt. Verglichen wurden jeweils Gruppen mit hohem und niedrigem UPF-Anteil in der Ernährung. Ergebnis: Keine der analysierten Studien fand gesundheitliche Vorteile eines hohen UPF-Konsums.
Angesichts der weltweit steigenden Verfügbarkeit solcher Produkte warnen die Autorinnen und Autoren vor erheblichen Folgen für die öffentliche Gesundheit und plädieren für eine Ernährung mit möglichst geringem Anteil stark verarbeiteter Lebensmittel.
Kommentare