Fehlfärbung: Wenn Tiere in der falschen Farbe geboren werden

Üblicherweise tauchen Atlantische Ammenhaie weit verbreitet durch die warmen Küstenregionen der Ozeane. Gelblich-braun gefärbt heben sich die bis zu vier Meter langen Knorpelfische kaum vom Meeresboden ab.
Umso größer war das Staunen, als Sportangler 2024 vor Costa Rica einen knall-orangen Ginglymostomatidae cirratum aus dem Wasser zogen. Sie dokumentierten die grelle Haut und die weißen Augen mit Fotos und Kurzvideo, dann ließen sie den Zwei-Meter-Fang wieder frei.
Oranger Hai mit weißen Augen von Albinismus und Xanthismus betroffen
Nun haben Wissenschafter der brasilianischen Universität Rio Grande ihre Ferndiagnose in der Fachzeitschrift "Marine Biodiversity" veröffentlicht.
Bei dem Hai würden wohl gleich zwei genetische Besonderheiten zusammentreffen: Albinismus und Xanthismus. Außerdem hält Studien-Erstautorin Marioxis Macías-Cuyare fest: „Dieser einzigartige Befund weist darauf hin, dass die seltene Kombination das Überleben dieser Art nicht behindert.“ In der Regel werden Wildtiere mit auffälliger Fehlfärbung nicht alt.

Albino-Kaninchen gelten als Qualzucht.
„Jungtiere haben es in der Natur ohnehin schwer, in Signalfarbe kommen sie kaum durch“, sagt Robert Riener. Der stv. Direktor des Haus des Meeres in Wien kennt neben der fehlenden Tarnung weitere Nachteile, die ein Mangel an Pigmenten bringt.
Weiße Wildtiere sind Fressfeinden und der Sonne schutzlos ausgeliefert
Helle Haut wie bei außertourlich weißen Reptilien etwa ist der Sonne schutzlos ausgeliefert; es drohen Sonnenbrand bis Hautkrebs. Fehlt Melanin in den Augen, schimmern nur die Blutgefäße rot durch, beeinträchtigt die ständige UV-Bestrahlung die Sehleistung. Blinde Tiere – ob Insekt, Fisch, Vogel oder Säuger – sind zu langsam für die Jagd und für die Flucht. Darüber hinaus schwächelt ihr Immunsystem.
„Bei der Partnerwahl zählen Geruchsstoffe mehr als das Aussehen“, schwenkt Zoologe Riener zu den sozialen Folgen der Mutationen. Doch dort, wo Farbe das wichtigste Selektionskriterium ist, geraten Außenseiter rasch ins Hintertreffen. Von Vögeln ist bekannt, dass sie sich Artgenossen mit Pigmentstörung gegenüber aggressiv verhalten; mitunter bleibt es bei der Ignoranz.
Fehlfärbung: Die meisten Fehlfärbungen sind genetisch bedingt. Zudem können Stoffwechselstörungen wie Nährstoffmangel oder hormonelle Probleme sowie Umwelteinflüsse Ursache dafür sein.
Albinismus: Die Zellen, die für die Farbstoffbildung zuständig sind, produzieren zu wenig bis kein Melanin. Der Mangel an Pigmenten lässt Haut und Fell blass erscheinen, die Augen wegen der durchschimmernden Blutgefäße rot.
Xanthismus: Bei der seltenen Form des Albinismus fehlen Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln die dunklen Pigmente, während die gelben oder roten erhalten bleiben. Säuger sind davon nie betroffen.
Leuzismus: Ein Gendefekt bewirkt eine weiße, rosa oder fleckige Färbung von Haut, Haaren bzw. Federn. Die Augen bleiben arttypisch gefärbt.
Melanismus: Eine erhöhte Produktion des Pigments Melanin sorgt dafür, dass sich Haut, Haare, Federn und Schuppen dunkel färben.

Die schwarz-weiß-gefiederte Amsel ist von Leuzismus betroffen.
Nur vereinzelt ist beschrieben, dass sich die Herde – wie im Fall eines Rehs bzw. Hirsches – schützend vor ihren weißen Mitläufer stellt.
Tiere mit zu viel dunklen Pigmenten haben kaum Nachteile
Individuen dagegen, die durch Melanismus besonders dunkel geraten, sind kaum benachteiligt. Schwarze Jaguare streifen unauffällig durch den Regenwald; schwarze Kreuzottern erwärmen sich schneller als ihre gemusterte Verwandtschaft – eine Stärke gerade in kühleren Regionen.
„Es ist gut möglich, dass Bremsen weißes Fell nicht wahrnehmen“, verweist Riener auf einen Selektionsvorteil für Albinos & Co. So saugen die Parasiten u. a. an grauen Gnus Blut, während die hellen ungestört fressen und gleichzeitig von Krankheitserregern verschont bleiben.

Die Kreuzotter ist wegen zu vieler dunkler Pigmente schwarz statt gemustert.
„In menschlicher Obhut spielt die Färbung keine Rolle“, sagt der Kurator für die Abteilung Terra. Der gelb-creme Königspython im Haus des Meeres erfreut sich bester Gesundheit – und zieht die Aufmerksamkeit vieler Besucher auf sich. Es ist der Reiz des anderen.
Marioxis Macías-Cuyare und ihre Kollegen lässt der faszinierende Fang aus dem Vorjahr genauso wenig los: „Ist der gelb-orange Ammenhai ein Einzelfall oder könnte es sich um einen neuen genetischen Trend in der regionalen Population handeln?“
Ursachen für Fehlfärbung müssen weiter erforscht werden
Auch wie es bei dem karibischen Fisch zu dem Albino-Xanthismus gekommen ist, soll geklärt werden. Neben den Genen könnten Umweltstress und eine erhöhte Wassertemperatur eine Rolle gespielt haben oder Inzucht oder ein hormonelles Ungleichgewicht. Die Experten sind jedenfalls einig: „Weitere Studien müssen folgen.“
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