Die Hitze der Stadt

Ein Thermometer zeigt eine Temperatur von über 30 Grad Celsius an einem sonnigen Tag.
Das Kühlen von Städten ist überlebenswichtig. Was Bewohner dazu beitragen können

In Ulan Bator bohrt man Löcher gegen Hitze. Die Regierung der mongolischen Hauptstadt hat vergangenen November beschlossen, etwas gegen die Temperaturschwankungen von 50 Grad zwischen Winter und Sommer zu unternehmen. Heute kühlt ein Netz aus zwei Meter tiefen Löchern mit gefrorenem Wasser die Stadt. In Taipeh wiederum entsteht ein Park, der durch seinen speziellen Katalysator-Bodenbelag Licht absorbiert, die Luft reinigt und gleichzeitig die Temperatur um vier Grad senkt. In der albanischen Hauptstadt Tirana pflastert ein thermochromer Boden das Zentrum, der je nach Bedarf kühlt oder wärmt. Und die New Yorker pflanzten bisher 757.386 Bäume, um ihrer Stadt Wärme zu entziehen. Eine Million sollen es bis 2017 werden.

Problemzone

Auf der ganzen Welt arbeiten Wissenschafter und Architekten daran, Metropolen zu kühlen. Neben dem globalen Klimawandel macht die Sonneneinstrahlung auf die kilometerbreiten Schiefer- und Beton-Oberflächen Städte besonders hitzeanfällig. Eine aktuelle Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig belegt, dass vor dem Hintergrund des Klimawandels Stadtplaner besonders gefordert sind. Konkret haben die Forscher ermittelt, dass die Häuser in Ein- und Zweifamilien-Siedlungen über Nacht wohltuend abkühlen. Ein wichtiger Grund dafür könnte die im Vergleich zu geschlossenen Häuserblöcken geringere Bodenversiegelung sein. Messungen haben auch ergeben, dass mit jedem Kilometer Entfernung zum Stadtzentrum die Außentemperatur abnimmt. Am Morgen um durchschnittlich 0,67 Grad pro Kilometer, am Abend um 0,36 Grad. Da es in urbanen Gebieten zu wenige Parks, Wiesen und Seen gibt, kann es in Stadtzentren um bis zu 15 Grad wärmer werden als am Stadtrand.

Diese extremen Bedingungen sind für die Bewohner belastend. 2003 starben in Europa 35.000 Menschen an den Folgen einer extremen Hitzewelle. Die meisten von ihnen in Städten. Laut der US-Umweltschutzorganisation NRDC werden im Jahr 2100 bereits 3300 Menschen an den Folgen extremer Hitze sterben – pro Jahr und nur in den größten Städten der USA. Und: Seit 2007 leben, so ein UNO-Bericht, mehr Menschen in urbanen Gebieten, als auf dem Land. Damit die Städte für ihre 3,5 Milliarden Einwohner weiterhin lebenswert bleiben, müssen sie gekühlt werden.

Maja Zuvela-Aloise von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) will keine Prognosen für Hitzetote in Österreich erstellen. Fakt sei aber, dass es schon bald etwa 30 extrem heiße Tage pro Jahr geben wird – doppelt so viele wie heute. Das könnte unangenehm werden, denn unsere Wohlfühltemperatur liegt zwischen 18 und 23 Grad. Hat es mehr als 27 Grad, leiden Mitteleuropäer unter sogenanntem Hitzestress.

Leistungsbremse

„Wenn die Temperatur in der Nacht sinkt, geben die Gebäude die gespeicherte Wärme wieder frei und verhindern damit die Abkühlung der Luft, die die Menschen zur Entspannung brauchen“, sagt Zuvela-Aloise. Dadurch schlage das Herz schneller, das erschwere die Erholung des Körpers. US-Wissenschafter fanden zudem heraus, dass unsere Arbeitsleistung aufgrund der Hitze bis 2050 um ein Fünftel sinken wird. Katrin Hagen, Stadtklima-Expertin an der TU Wien: „Die zunehmende, beziehungsweise andauernde Wärme in der Stadt greift unsere Gesundheit an. Dass Konzentration und Arbeitsleistung darunter leiden, ist klar.“

Ideen, wie man der Hitze entgegenwirken kann, liefert die Studie eines Forscherteams der Wiener Universität für Bodenkultur: Unter den 370 Maßnahmen zur Kühlung und Verbesserung des Wohlbefindens der Stadtbewohner wären folgende sofort umsetzbar: Gratis-Eintritt in Freibäder, längere Öffnungszeiten in Kirchen und Einkaufszentren oder das Öffnen klimatisierter Verwaltungsgebäude für die Öffentlichkeit.

Was es zur Kühlung braucht, ist Regierungen also bekannt. In eine bestehende Stadt einzugreifen, sei aber ein teueres, langfristiges Projekt, sagt Hagen. Aufgrund der dichten Verbauung sind neue Parks oder Seen oft nicht möglich – oder unprofitabel. „Der europäische Alpenraum ist in den vergangenen 100 Jahren um etwa zwei Grad wärmer geworden. Da er heute um ein Grad wärmer ist als der europäische Durchschnitt, muss hier etwas getan werden“, sagt Zuvela-Aloise. Zusätzlich werden bis 2030 alleine in Wien zwei Millionen Menschen wohnen, was eine Verbauung neuer Flächen und die Notwendigkeit der Kühlung mit sich bringt.

Eigeninitiative

Internationale Studien, Förderungen, umweltfreundliche Wohnprojekte und Computer-Simulationen zeigen bereits, wie das Auflockern der heimischen Städte-Strukturen gelingt. Mit Fontänen, Gemeinschaftsgärten, Wasser-Spielplätzen oder begrünten statt asphaltierten Parkplätzen soll der zunehmenden Stadt-Versiegelung entgegengewirkt werden. Katrin Hagen ist aber überzeugt, dass das städtische Mikroklima auch anders verbessert werden kann: Eigeninitiative sei angesagt, um die Lebensqualität zu verbessern. Das Begrünen oder hell Streichen von Fassaden könnte auf lange Sicht ebenfalls helfen, in Metropolen einen kühlen Kopf zu bewahren.

Eine Infografik über Hitzewellen, Temperaturunterschiede und Klimaprojekte in verschiedenen Städten.

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