Das Bauchhirn hat viel zu sagen

Die obligaten Schmetterlinge im Bauch frisch Verliebter gehören ebenso dazu wie Krämpfe, Durchfall oder Verstopfung in Stress-Situationen: Unser Verdauungssystem und psychische Reaktionen sind eng gekoppelt.
"Es ist tatsächlich ein hochkomplexes Verbindungssystem", sagt Gendermedizin-Expertin Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer, MedUni Wien .
Kein Wunder, dass dieses sogenannte "
Bauchhirn" zunehmend in den Fokus rückt. "Lange sah man den Darm nur als eine Art Schlauch, die Speiseröhre und Anus verbindet", sagt Prim. Michael Häfner, Internist im St. Elisabeth-Spital in Wien. "Die neuronalen Verbindungen sind erst seit Kurzem ein Thema. Sie sind sehr komplex und es ist noch vieles zu erforschen."
Was man schon weiß: Der Bauch steuert den Kopf, nicht umgekehrt.
Überhaupt sind Gehirn und Darm enger verbunden als bisher gedacht: Auch das Bauchhirn denkt, spürt, ist emotional. Es habe "alles, was ein integratives Nervensystem braucht", sagen Neurogastroenterologen.
Die Bauart der Darmzellen ähnelt sogar jenen im Gehirn. Zelltypen und Rezeptoren sind exakt gleich. Deshalb wirken etwa Antidepressiva auch auf den Darm. Er schüttet ebenso Hormone wie Dopamin, Serotonin oder sogar körpereigene Opiate aus. Diabetes-Expertin Kautzky-Willer: „Diese beeinflussen unseren Stoffwechsel genauso.
Etwa bei Diabetes wissen wir, dass auch Darmhormone an der Regulierung des Stoffwechsels beteiligt sind."
Die Peristaltik, der wellenförmige Transport des Nahrungsbreis, ist ebenso ein Fall fürs Bauchhirn. Es reagiert auf leichtesten Druck durch Speisenteile. So werden
Neuronen in den Darmwänden stimuliert, die wiederum Botenstoffe und Muskelzellen aktivieren.
Botschaft von unten
Seine Botschaften sendet das Bauchhirn ständig aus – aber wir nehmen sie im Normalfall gar nicht wahr. Außer der Körper gerät aus seiner Balance. So schlägt sich etwa Stress bei den meisten nicht zufällig auf den Bauch.
Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung leiden in Österreich unter Bauchbeschwerden wie Schmerzen und Krämpfe. Am Reizdarmsyndrom etwa erkranken zwischen 25 und 30 Jahre alte Frauen drei Mal häufiger als Männer. Für Kautzky-Willer sind unterschiedliche Strategien zur Stressverarbeitung ein Grund. "Frauen sind empfindlicher und reagieren bei der Ausschüttung von Stresshormonen anders."
Der Spruch "Hör auf deinen Bauch" ist also gar nicht so falsch. Häfner: "Strategien für den Alltag und Auszeiten sind wichtig. Ein Tag in Paris geht zwar nicht immer. Oft reicht es schon, hin und wieder loszulassen und durchzuatmen."
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