Club der „Geronto-Dads“
Zu alt für erneuten Nachwuchs? Die Meinungen in den Kommentarspalten gingen nach Beckers unerwarteter Frohbotschaft auseinander. „Unverantwortlich“ finden es manche, in fortgeschrittenem Alter ein Kind in die Welt zu setzen, auch Egoismus wird späten Vätern gerne vorgeworfen (wenn auch nicht so heftig wie spät gebärenden Frauen).
Dabei zählt Becker im internationalen Promi-Papa-Vergleich bei Weitem nicht zum ältesten Eisen. Die Hollywood-Granden Robert De Niro und Al Pacino wurden kürzlich jeweils mit knapp 80 noch einmal Väter. „Rolling Stone“ Mick Jagger freute sich mit Anfang 70 über Nachwuchs, Bandkollege Ron Wood war 69, als seine Zwillingsmädchen zur Welt kamen. Und damit 20 Jahre jünger als Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, der 2020 mit 89 Jahren seinen ersten Sohn in die Arme schloss.
Die meisten „Geronto-Dads“, wie ältere Papas leicht spöttisch tituliert werden, haben in der Regel Kinder aus früheren Ehen und deutlich jüngere Partnerinnen an ihrer Seite. Der Trend macht sich nicht nur in den Klatschspalten, sondern auch gesamtgesellschaftlich bemerkbar: Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung hat sich der Anteil der über 45-jährigen Neuväter seit 1995 fast verdreifacht, mittlerweile hat jedes vierte Neugeborene einen Vater über 40. Auch in Österreich werden Männer immer später Vater. Möglich ist bei Männern bis ins hohe Alter vieles, wie eine Geburten-Auswertung der Statistik Austria aus dem Jahr 2015 zeigte: Die drei ältesten Väter in Österreich waren 80 Jahre alt, ihre Partnerinnen im Schnitt 40 Jahre jünger.
Als „alt“ gelten Väter medizinisch schon viel früher, nämlich wenn sie bei der Geburt ihres Kindes zumindest 45 bis 50 Jahre alt sind – Skala nach oben offen. Ab diesem Alter steigt aufgrund der abnehmenden Spermienqualität das Risiko für Fehl- und Frühgeburten sowie für Autismus oder ADHS im späteren Leben des Kindes, wie Forscher 2018 herausfanden.
Das arme Kind?
Eine späte Vaterschaft bringt aber auch Vorteile, weiß der deutsche Entwicklungspsychologe Andreas Eickhorst. Man könne davon ausgehen, dass die Anzahl der ungewollten Vaterschaften im höheren Alter sehr gering ist. „In der Regel haben wir motivierte Männer und Partnerinnen, die einen starken Kinderwunsch haben und sich dies auch gut überlegt haben.“
Erfahrung, finanzielle Mittel und Zeit sind in dieser Phase oft ausreichend vorhanden und laut dem Experten gute Voraussetzungen für eine gelingende Vater-Kind-Beziehung. „Alter ist heute in der gelebten Rollenvielfalt in Familien nur mehr ein Faktor unter vielen“, erkärt er den Trend. Die negativen Reaktionen auf späte (Wieder-)Väter à la Becker führt Eickhorst auch auf Neid zurück: „Darauf, dass Männer, die es sich leisten können, sich die Möglichkeit herausnehmen, in späteren Jahren Dinge nachzuholen oder besser zu machen als in jungen Jahren.“
Auch Ecclestone gibt zu, mit seinen erwachsenen Töchtern nicht genug Zeit verbracht zu haben. „Ich war immer beschäftigt“, räumte der 94-Jährige in einem Interview ein. Bei Söhnchen Ace soll alles anders werden – weiterer Nachwuchs mit seiner 45 Jahre jüngeren Fabiana nicht ausgeschlossen.
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