Baumeister der Natur: Tiere gestalten die Landschaft mehr als gedacht

Biber schaffen als Holzfäller Feuchtgebiete.
Timber nach nur einer Nachtschicht! Mit den oberen Schneidezähnen haken Biber in die Rinde ein, mit den unteren raspeln sie am Stamm, bis die „Sanduhr“ bricht. So gelangen die Vegetarier an Triebe aus der Krone, mit den großen Ästen bauen sie Burgen. Ihre Dämme sorgen dafür, dass der Eingang zum Familiendomizil stets unter Wasser und damit geschützt vor Feinden liegt.
Der regionale Kahlschlag begünstigt licht- und wärmeliebende Arten; auch Totholz lockt an. Die Staumauern wiederum bremsen die Geschwindigkeit der Fließgewässer – ein Eldorado für verschiedene Fische, Amphibien, Insekten und Vögel. Zudem befestigen die größten Nager Europas das Ufer und beugen der Versandung von Flussbetten vor.

Termiten bauen Hügel, die vom All aus sichtbar sind.
Die Castoridae sind freilich nicht die einzigen Landschaftsarchitekten. Wie eine Studie zeigt, gibt es mehr davon, als bisher gedacht. Britische Forscher haben in einer Metaanalyse 603 Arten, Gattungen oder Familien identifiziert, die die Oberfläche der Erde beeinflussen – von Ameisen, die den Boden auflockern, über Flusspferde, die Entwässerungssysteme anlegen, bis zu Krebsen und Lachsen, die Sediment verschieben.

Schwarzspechte fördern die Artenvielfalt in Bäumen und Totholz.
Tiere gestalten tagtäglich die Erde
„Die Studie ist umfassend wie noch keine. Sie öffnet die Augen, was auf dem Planeten passiert“, sagt Klaus Hackländer von der Boku Wien. Dabei betont der Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft: „Wir glauben, dass nur der Mensch buddelt, baggert und baut. Aber Tiere tun das tagtäglich.“ Sichtbar sogar aus dem Weltall wie Termitenhügel. Messbar an der Bodenqualität, zu der Regenwürmer, Kleinsäuger und Mikroorganismen beitragen. Weitgehend unbemerkt im Regenwald oder in der Savanne.
„Biber und Schermaus hinterlassen nicht nur direkt am Gewässer Spuren“, zählt der Wildbiologe und Buchautor für Österreich auf. Auch Dachs, Fuchs und Murmeltier leisten hierzulande „ganz große Arbeit und bereichern mit ihrer Grabtätigkeit ihren Lebensraum“. Wildschweine nicht zu vergessen. Der Schwarzspecht wiederum zimmert mit seinen Höhlen Behausungen für andere Tiere. Seine Vorarbeit ermöglicht zudem Insekten und Pilzen, Totholz schneller abzubauen.
Auch Nutztiere zählen zu den Baumeistern der Natur
Nicht zuletzt gestalten Nutztiere die Natur. Die Studie nennt Rinder, Yaks, Ziegen, Schafe und Pferde. „Kühe rülpsen nicht nur Methan aus. Die Hufe hinterlassen nackten Boden. Viele Arten profitiere von den Fladen“, wirft Hackländer, der auch Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, ist Nutzen und Schaden in eine Waagschale.

Die große Zahl der Schafe hinterlässt weltweit deutliche Spuren.
„Die Leistung der untersuchten Arten ist beeindruckend. Tiere formen jährlich mit mindestens 76.000 Gigajoule Energie die Erdoberfläche“, hält Studienerstautorin Gemma Harvey von der Queen Mary Universität London fest. Die Zahl sei mit Hunderttausenden extremen Überschwemmungen vergleichbar.
Tierische Landschaftsarchitekten fördern Artenvielfalt
Hackländer führt aus: „Ob Wildtier oder Nutztier – sie alle tragen zur Dynamik im Ökosystem bei; beschleunigend oder verlangsamend. Wir sollten diese Dynamik wertschätzen und unterstützen, denn sie fördert die Biodiversität.“
Die Bautätigkeit des Bibers etwa ist in der Renaturierung und im Hochwasserschutz unbezahlbar. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Baumeister fast ausgerottet. Jetzt ist er zumindest in naturnahen Gebieten willkommen.
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