Anzahl der Drogentoten gesunken

Eine Person injiziert sich eine Substanz in den Arm.
Verzögert abgegebene Morphine erwiesen sich als erfolgreichste Therapie-Form.

Das Gesundheitsministerium veröffentlichte am Dienstag seinen "Epidemiologiebericht Drogen 2012/2013" und kommt zu dem Schluss, dass die Suchtgiftproblematik in Österreich insgesamt als stabil anzusehen ist. So kamen im vergangenen Jahr fast 40 Personen weniger durch eine Überdosis ums Leben als noch 2011. Gleichzeitig befindet sich die Hälfte der Opiatabhängigen in Substitutionstherapie. Dabei erwies sich Morphin in Retardform (wo die Wirkstoffe verzögert, aber mit langer Wirkdauer abgegeben werden) bei der "Haltequote" der Behandelten als beste Option.

Bereits vergangenes Jahr startete Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Diskussion rund um die Opiat-Substitutionstherapie in Österreich. Sie äußerte dabei heftige Kritik an der Verwendung von Opiaten in Retardform (Tabletten).

Eine Grafik zeigt die Anzahl der Drogentoten in Österreich von 2002 bis 2012.
Doch diese Kritik scheint ins Leere zu gehen, so der Faktenreport: "Im letzten Jahrzehnt ist es gelungen, den Anteil an Personen mit problematischem Opioidkonsum, die sich in Substitutionsbehandlung befinden, stark zu erhöhen. Im Jahr 2012 befanden sich 16.892 Personen in Substitutionsbehandlung (von etwa doppelt so vielen Opiatkonsumenten mit intravenösem Konsum etc.; Anm.)."

"Insgesamt befinden sich nach einem Jahr noch 70 Prozent und nach zwei Jahren noch 60 Prozent der Personen in Behandlung. Es gibt Hinweise, dass nach einer Behandlungsdauer von einem Monat eine kritische Phase bezüglich Behandlungsabbruch besteht", so die Studienautoren.

Zahlen

Besonders auffällig: Geht es nach dem Bericht, so befindet sich selbst nach 23 Jahren noch ein Drittel der Opiatabhängigen, die ehemals eine Substitutionstherapie bekamen, in Behandlung. 800 Tage nach Start einer Substitutionstherapie (Zeitraum 1. Jänner 2011 bis 31. Dezember 2012) sind noch 71 Prozent der mit Morphinen in Retardform Behandelten in Therapie, mit anderen Substitutionsmitteln gelingt das nur zu einem geringeren Anteil - zu 53 Prozent (Methadon rund 50 Prozent, Buprenorphin rund 60 Prozent).

Nach 800 Tagen sind in Wien noch 70 Prozent der Behandelten in Therapie, in den übrigen österreichischen Bundesländern sind es nur 57 Prozent - was allerdings auch auf die Größe Wiens und die damit verbundene größte Anzahl an Opiatabhängigen zurückzuführen ist.

Eindeutig positiv ist die Entwicklung bei der Zahl der Drogentoten: Für 2012 geht man in dem Bericht von 161 Todesfällen aus, die "direkt auf eine Überdosierung zurückzuführen sind". Im Jahr zuvor sind es noch 201 gewesen.

Die Konsumenten sind 17 bis maximal 28 Jahre alt, stammen aus allen Bevölkerungsschichten und spielen gerne eine Art russisches Roulette. Sie sind ständig auf der Suche nach einem neuen Kick und probieren verschiedenste Rauschgifte vor allem an den Wochenenden beim Fortgehen aus.

73 solcher „neuen Drogen“ wurden allein im Vorjahr in Europa erstmals nachgewiesen, fünf davon sind in Österreich entdeckt worden – so viele wie noch niemals zuvor. Zum Vergleich: In den zehn Jahren zuvor wurden insgesamt nur rund 150 neue Rauschgifte auf dem europäischen Kontinent festgestellt. „Das ist ein Grund zur Beunruhigung“, erklärt Rainer Schmid, Experte der Wiener MedUni für Toxikologie. „Opiate und Kokain stagnieren. Diese neuen Drogen sind die große Herausforderung, weil sie leicht erhältlich und großteils legal sind. Ein Verkauf ist kaum verhinderbar“, erklärt Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel.

China und Indien

Statt in kleinen Giftküchen in Osteuropa kommen die neuen Drogen nun immer häufiger aus hoch technisierten Labors in China und Indien. „In Asien ist man da ähnlich hochspezialisiert wie in der Elektronikindustrie“, berichtet Schmid dem KURIER. Teilweise müsse man nur Geld überweisen und die chemische Formel mailen, dann bekommen Interessierte das erwünschte Produkt frei Haus geliefert. Meist sind diese Tabletten von der Wirkung her ähnlich den Amphetaminen oder Cannabis, da sie aber neue chemische Zusammensetzungen haben, sind sie in den meisten EU-Ländern nicht verboten.

In Wien gab es im Vorjahr auch zumindest einen Todesfall in Zusammenhang mit neuen Drogen. Ein Techno-Fan hatte drei Tage lang zwei der neu entdeckten Substanzen geschluckt und besuchte verschiedene Events – danach war er tot.

„Bei Alkohol weiß man, ob man eine Flasche Bier oder eine Flasche Wodka trinkt“, erklärt Sonja Grabenhofer von „Check it!“, wo Jugendliche ihre Drogen gratis und anonym testen lassen können. Bei so einer Analyse sehen die Konsumenten oft erst, wie schmutzig und wie stark die gekauften Tabletten tatsächlich sind.

„Das potenzielle Risiko neuer Drogen ist sehr groß. Es gibt keine Langzeitstudien, und deshalb ist die Wirkung und die Giftigkeit oft noch unbekannt“, warnt Schmid eindringlich. Zwei der 73 neuen Substanzen waren hochgefährlich, allein an diesen beiden Drogen starben bisher 40 Menschen in Europa.

www.checkyourdrugs.at

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