Dieser Mann will seinen Kopf transplantieren lassen
Im Februar präsentierte der umstrittene Turiner Chirurg Sergio Canavero seinen Plan, im Jahr 2017 den Kopf einer lebenden Person auf einen Spenderkörper zu transplantieren. Jetzt gibt es einen Menschen, der sich für dieses Experiment zur Verfügung stellen möchte. Es ist der 30-jährige Russe Valery Spiridonov. Er leidet an spinaler Muskelatrophie, eine Krankheit, die zum Absterben jener Nervenzellen im Rückenmark führt, die für die Bewegung verantwortlich sind. Die Folge: zunehmender Muskelschwund, der zum Tod führt.
Der Leidensdruck des jungen Russen scheint so hoch, dass er nun seinen Kopf auf einen anderen Körper verpflanzen lassen möchte. Dabei scheint ihn auch nicht zu irritieren, dass er der erste Mensch sein würde, an dem dieses Experiment ausprobiert wird. Im Gegenteil: Es scheint seine letzte Hoffnung zu sein, zumal bei ihm nichts mehr zu gehen scheint: "Ich brauche Hilfe, jeden Tag, jede Minute." In einem Interview sagte er: "Diese Technologie ist mit dem ersten Menschen im Weltall vergleichbar. Möglicherweise wird sie in der Zukunft tausenden Menschen helfen, die in einem bedauerlicheren Zustand sind als ich."
Kritische Stimmen dazu gibt es viele, manche sehen die Transplantation eines Kopfes auf den Körper eines anderen als Experiment eines Verrückten an. Vor allem das Rückenmark funktionstüchtig zu verbinden, stellt für Experten ein massives Problem dar. Es bleibt fraglich, wie das Leben eines Menschen aussieht, wenn er aus dem langen postoperativen Tiefschlaf aufwacht.
In diesem TedX-Video erklärt Chirurg Sergio Canavero sein Vorhaben:
Es klingt wie in einem Science-Fiction-Film: Der Kopf einer Person wird auf den Körper einer anderen verpflanzt und lebt dann als ein Mensch weiter. Ein umstrittener italienischer Chirurg möchte genau das real werden lassen - und zwar in spätestens zwei Jahren. Sergio Canavero aus Turin plant, den Kopf einer lebenden Person auf einen Spenderkörper zu transplantieren.
Das Verfahren soll das Leben von Menschen verlängern, die unter einer Degeneration ihrer Muskeln und Nerven leiden oder unter einem fortgeschrittenen Krebs. Berichten von The New Scientist zufolge möchte Canavero sein Projekt im Juni 2015 bei einer Konferenz in den USA vorstellen. Schon jetzt hat er einen Artikel veröffentlicht, in dem er seine Technik beschreibt.
Rückenmark vernetzen
Demnach würden der Kopf des Empfängers sowie der Spenderkörper zu Beginn gekühlt, um die Zeit zu verlängern, in der die Zellen der beiden ohne Sauerstoff leben können. Das Gewebe rund um den Hals würde entfernt und die Hauptgefäße mit winzigen Röhrchen verbunden. Das Rückenmark wäre dann abgeschnitten, der Kopf des Empfängers wird auf den Spenderkörper "gesetzt". Die Enden des Rückenmarks würden mittels der Chemikalie Polyethylenglycol, kurz PEG, miteinander verschmolzen. PEG soll das Fett in den Zellmembranen von Kopf und Körper miteinander vernetzen.
An der medizinischen Verwendbarkeit des Stoffes wird in verschiedenen Bereichen geforscht. Unter anderem zeigt eine Studie der amerikanischen Purdue University, dass die Injektion von PEG bei Wirbelsäulenverletzungen von Hunden die Heilung beschleunigen und irreparable Schäden und damit Querschnittlähmungen verhindern könnte. Allerdings ist nicht genau geklärt, ob dies bei Menschen funktionieren würde bzw. welcher Mechanismus hinter diesen Effekten steckt.
Nachdem der Kopf auf den Spenderkörper transplantiert wurde, würde die Person in ein künstliches Koma versetzt werden, um zu verhindern, dass sie sich bewegt, während die Wunden heilen. Canavero geht davon aus, dass die Patienten nach dem Erwachen aus dem Koma ihr Gesicht spüren und bewegen können. Sie würden mit derselben Stimme sprechen und innerhalb eines Jahres gehen können.
Erfolge bei Tieren
Der Chirurg Canavero tritt nicht zum ersten Mal mit dieser Idee in Erscheinung. Schon im Jahr 2013 ging er mit seinen Transplantationsvorstellungen an die Öffentlichkeit. Dem "New Scientist" sagte er damals: "Wenn die Gesellschaft diese Operation nicht möchte, werde ich es nicht tun. Aber wenn die Menschen es in Europa oder den USA nicht wollen, heißt das nicht, dass es nicht irgendwo anders passiert."
An der Verpflanzung eines Kopfes wird bereits seit Jahrzehnten immer wieder geforscht. In den 1960er Jahren gelang es mehrmals erfolgreich, den Kopf von Affen, Ratten und Hunden auf einen anderen zu transplantieren. Problematisch bei bisherigen Tierversuchen war bisher, das Rückenmark der verschiedenen Körperteile so miteinander zu verbinden, dass sich die Tiere tatsächlich bewegen konnten. Canavero geht jedoch davon aus, dass in diesem Bereich Fortschritte gemacht wurden, etwa bei Menschen, die schwere Verletzungen am Rückenmark hatten und die wieder behoben werden konnten. Er gesteht aber ein, dass dies der heikelste Punkt ist.
Dem amerikanischen Forscher Robert White gelang es 2001, dass ein Affe nach einer Kopftransplantation bei Bewusstsein war, sehen, hören, schmecken und riechen konnte. Auch er glaubt daran, dass eines Tages dasselbe mit menschlichen Köpfen und Körpern möglich ist. In einem Interview mit BBC sagt er damals, dass er verstehen kann, dass die Transplantation grotesk wirke, aber dass auch die Transplantation anderer Körperteile ethische Fragen aufwerfe. „Bei jedem Entwicklungsschritt – Niere, Herz, Leber und so weiter – wurden ethische Überlegungen getroffen, insbesondere beim Herz, das für viele Menschen und Wissenschaftler ein großes Thema ist“, so White. Die Transplantation des Gehirns werfe wegen seiner Einzigartigkeit viele ethische Fragen auf. Hinzu kommen enorme Kosten: Canavero schätzt die Kosten für den Eingriff auf mindestens zehn Millionen Euro.
Kommentare