Armut macht krank, Reichtum oft gesünder

Ein Mann mit blonden Haaren schläft mit dem Kopf auf dem Tisch neben einer Wasserflasche.
Menschen unter der Armutsgrenze haben einen dreimal so schlechten Gesundheitszustand. Darüber diskutieren Experten ab heute bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen in Tirol.

Ungleichheit macht krank - Krankheit macht ungleich" – das ist das Motto der diesjährigen Gesundheitsgespräche des Europäischen Forum Alpbach, das heute, Sonntag am späten Nachmittag eröffnet wird. Nicht nur zwischen den reichen und den armen Staaten der Erde gibt es ein riesiges Gesundheitsgefälle, auch innerhalb der Staaten sind die Unterschiede groß. Selbst in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, gibt es einen starken Unterschied zwischen arm und reich. Ein Beispiel: Die Lebenserwartung ist in Wien-Brigittenau im Durchschnitt um vier Jahre geringer als in Wien-Döbling. Die Lebenserwartung in den Städten ist - trotz einer größeren Ärztedichte - niedriger als am Land. Bildung, Lebensumstände, Arbeitswelt und Einkommen sind neben der individuellen Genetik die hauptsächlichen Grundbedingungen.

Dennoch ist das österreichische Gesundheitswesen im internationalen Vergleich als „sozial“ und solidarisch angesehen. Von einem gerechten Ausgleich der Unterschiede zwischen arm und reich kann trotzdem nicht gesprochen werden, wie auch die österreichische Armutskonferenz in einem kürzlich erschienen Bericht zum österreichischen Gesundheitssystem betont. "Menschen in Haushalten unter der Armutsgrenze weisen einen dreimal schlechteren Gesundheitszustand auf als in Haushalten mit hohen Einkommen und sind doppelt so oft krank wie in solchen mit mittleren Einkommen. Die 385.000 Personen in Österreich, die als arm und mehrfach ausgegrenzt bezeichnet werden können, sind von einem sehr schlechten allgemeinen Gesundheitszustand, von chronischer Krankheit und starken Einschränkungen bei Alltagstagstätigkeiten betroffen - dreimal so stark wie der Rest der Bevölkerung", heißt es dort.

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Ursachen

Als Erklärung werden seit vielen Jahren die verschiedensten Ansätze verwendet. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich. "Es sind die Unterschiede erstens in den gesundheitlichen Belastungen, zweitens in den Bewältigungsressourcen und Erholungsmöglichkeiten, drittens in der gesundheitlichen Versorgung und viertens im Gesundheits- und Krankheitshandeln. Das eine bedingt das andere. Stress durch finanziellen Druck und schlechte Wohnverhältnisse gehen Hand in Hand mit einem geschwächten Krisenmanagement und hängt unmittelbar mit mangelnder Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und einem ungesunden Lebensstil zusammen", schrieben in dem Armutskonferenz-Report Florian Riffer und Martin Schenk.

Strukturelle Lücken, soziale Benachteiligungen, fehlende persönliche Ressourcen und mangelnde Informationen bilden einen sprichwörtlich ungesunden Mix. "Davon betroffen sind Menschen in prekärer Beschäftigung, Personen in schweren psychischen Krisen, Arbeitssuchende ohne Leistungsanspruch, vormals mit ihrem Ehemann mitversicherte Frauen nach der Scheidung, Hilfe Suchende, die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen", schrieben die Experten.

Seltener zum Arzt

Einige Details, die in entsprechenden Studien aus Österreich belegt worden sind: Vier Prozent der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten hatten innerhalb des vergangenen Jahres einen Fall im Haushalt, in dem eine zahnmedizinische oder sonstige medizinische Leistung aus Kostengründen nicht in Anspruch genommen wurden. Bei etwas weniger Gefährdeten sind es zwei Prozent. Einkommensschwächere Personen suchen nicht nur um 20 Prozent seltener Fachärzte auf als vergleichbare rezeptpflichtige (nicht von der Rezeptgebühr Befreite; Anm.) Menschen, sondern erhalten auch durchschnittlich billigere Medikamente. Drei Prozent der armutsgefährdeten Personen geben an, einen notwendigen Arztbesuch nicht in Anspruch genommen zu haben, gegenüber einem Prozent der Personen mit mittlerem Einkommen und niemand aus der Gruppe von Personen mit hohem Einkommen.

Es ist nicht nur das Geld, es ist auch der Wohnort, der einen "ungesunden" Unterschied machen kann. Rund 40 Prozent der Einwohner aus Orten mit einer Bevölkerungszahl von weniger als 5.000 Personen gab in einer 2009 publizierten Studie an, dass für sie die medizinische Versorgung eher schlecht.

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