Zu hohe Preise: Wie es an der Inflationsfront weiter geht
Die Inflation ist im Jahresdurchschnitt 2023 von 8,6 Prozent im Jahr davor auf 7,8 Prozent gesunken. Das hat die Statistik Austria am Mittwoch bekannt gegeben und damit die Erwartung von Experten bestätigt.
Die Teuerung in Österreich liegt damit immer noch rund vier Mal so hoch wie die von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten zwei Prozent. Und ist historisch gesehen so hoch wie seit der ersten Ölkrise 1974 nicht mehr. Damals betrug die Jahresinflation 9,5 Prozent.
Dazu kommt, dass Österreich innerhalb der Eurozone eine der höchsten Inflationsraten aufweist (siehe Grafik) und der Abstand zu vergleichbaren Ländern wie Belgien beachtlich ist.
Wie geht es mit den Preisen kurzfristig weiter?
Im Dezember ist die Inflation wieder leicht gestiegen, und zwar in Österreich (auf 5,6 Prozent) wie auch im Durchschnitt der Eurozone (auf 2,9 Prozent). Das ist auf Sondereffekte zurückzuführen, wie die im Dezember 2022 eingeführte Strompreisbremse (ihre Wirkung ist statistisch gesehen im Dezember 2023 weg gefallen). Dennoch befürchtet der eine oder andere Banker, dass die in Aussicht gestellten EZB-Leitzinssenkungen auf die lange Bank geschoben werden, wodurch der dringende benötigte Schub für die Konjunktur ausbleiben würde.
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Auch in Österreich haben staatliche Maßnahmen dazu beigetragen, die Inflation zu dämpfen. Die Experten der Statistik Austria haben errechnet, dass Klimaticket, niedrigere Energieabgabe, Stromrabatt in Niederösterreich und vor allem die bundesweite Strompreisbremse einen insgesamt dämpfenden Einfluss auf die Teuerung von 0,63 Prozentpunkten hatten. Anders formuliert: Statt 7,8 Prozent hätte die Inflationsrate im Vorjahr ohne die Maßnahmen 8,4 Prozent betragen.
Andere Länder wie Belgien oder Spanien haben massiver in das Marktgeschehen eingegriffen und die Inflation nach unten gedrückt. Ergebnis war, dass sinkende Großhandelspreise wesentlich schneller beim Endverbraucher angekommen sind. Lag die Teuerung in Belgien 2022 zeitweise jenseits der 20 Prozent, so betrug sie im Jahr 2023 nur 2,3 Prozent (Österreich nach EU-Methode: 7,7 Prozent).
Wichtigster Einflussfaktor für den Unterschied zu Belgien oder Spanien waren die hierzulande wesentlich höheren Kosten für die Haushaltsenergie und die Mieten. Innerhalb der Haushaltsenergie zeigte sich, dass hierzulande vor allem Gas und Fernwärme wesentlich teurer waren als in den anderen Ländern. Konkret zeigt sich: Während Gas zwischen Dezember 2022 und November 2023 in Österreich um 59,4 Prozent teurer wurde, wurde Gas in Belgien um 47,7 Prozent billiger.
Auch die Mieten, Betriebskosten und Kosten für Instandhaltung stiegen hierzulande überdurchschnittlich. Dritter Faktor: Das höhere Tourismus-Gewicht im österreichischen Warenkorb, gepaart mit kräftigeren Preisanstiegen bei Bewirtung und Beherbergung.
Von einer möglichen Entwarnung will also niemand sprechen. Vielmehr könnte der Inflationsdruck aufgrund der geopolitischen Spannungen sogar zunehmen, wovor etwa Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) warnt. So betrachtet dürfte die Teuerung auch zu einem heißen Wahlkampfthema werden. Werfen SPÖ, FPÖ und Neos der Regierung doch seit Monaten vor, im Kampf gegen die Preissteigerungen bei Energie, Mieten oder Nahrungsmitteln versagt zu haben.
Was wird für das Gesamtjahr 2024 erwartet?
Nicht wenige Experten blicken mit Sorge in die Zukunft. So scheint noch lange nicht ausgemachte Sache zu sein, dass die vor Weihnachten abgegebenen Inflationsprognosen für das heurige Jahr zu halten sein werden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet für 2024 eine Halbierung der Jahresinflation in Österreich auf rund vier Prozent. Der zuständige WIFO-Experte Josef Baumgartner sagt zum KURIER: „Das Risiko einer höheren Inflation nimmt wieder zu, aber es gibt keinen Grund für Panik. Wir sehen aktuell noch keinen Anlass für eine Anpassung der Prognose.“
Was spricht für ein Sinken der Inflation?
Die hohen Preissteigerungen der Jahre 2022 und 2023 bei Haushaltsenergie, Nahrungsmitteln sowie Restaurants und Hotels dürften vorbei sein. Die drei Kategorien haben im Vorjahr mehr als die Hälfte der Inflation ausgemacht. Zuletzt gesunken sind auch die Großhandels- und Erzeugerpreise, wodurch der Preisdruck auf die Endverbraucherpreise nachlassen müsste. Dasselbe gilt bei den Immobilienpreisen, die sich nach einer langen Rallye einbremsen. Insgesamt spricht auch die schwache Konjunktur dafür, dass die Inflation nicht wieder anspringt. Ab Februar/März dürfte es so sein, dass die monatlichen Inflationsraten zu sinken beginnen. Das würde Druck aus der Frühjahrslohnrunde nehmen.
Was spricht für einen neuerlich steigenden Inflationsdruck?
Die Angriffe der Houthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer lassen die Sorgen vor neuen Lieferkettenproblemen und steigenden Transportkosten aufkommen. Außerdem könnte sich der Gazakrieg auf die gesamte Region ausweiten – im Extremszenario bis hin zu einer Konfrontation zwischen Iran und USA. In Folge des Jom-Kippur-Kriegs (Oktober 1973) haben die arabischen Staaten ein Ölembargo gegen den Westen ausgesprochen, was den ersten Ölpreisschock ausgelöst hat. Baumgartner: „Wenn der Iran die Straße von Hormuz blockiert, bräuchte es kein Ölembargo.“ Soll heißen: Dann würde der Ölpreis auch so explodieren. Beruhigend ist freilich, dass die Öl- und Gaspreise bisher (noch) nicht auf die neue Nahost–Krise reagiert haben.
Was könnte politisch noch passieren?
Vor einer Nationalratswahl ist die Lust oft groß, dem Volk noch rasch eine Entlastung angedeihen zu lassen. Die stärkste und sofort wirksame Maßnahme für die Inflation wäre eine Mehrwertsteuersenkung. Experten halten wegen des Gießkannen-Effekte nichts davon. Baumgartner sagt: „Die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher würden davon in absoluten Beträgen zweieinhalb mal so stark profitieren wie die untersten zehn Prozent.“
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