Mehr Mut und Start-up-Geist: Was Österreichs Wirtschaft jetzt braucht
Wird zu viel gejammert? Die aktuellen wirtschaftlichen Daten sind zwar schlecht, doch der Wirtschaftsstandort Österreich hat im Ausland nach wie vor einen sehr guten Ruf und das Potenzial ist riesig. So lautete der Grundtenor der Podiumsdiskussion anlässlich der KURIER-Serie „Standort Österreich. Zukunft durch positiven Wandel“ am Donnerstagabend in den Räumlichkeiten der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG). Auf die Frage von Moderatorin und Job-KURIER-Ressortleiterin Sandra Baierl, warum denn hier investiert werde, zeigten sich die Diskutanten als wahre Österreich-Fans.
“Wir produzieren seit 100 Jahren hier in Österreich. Der Standort ist wirklich gut. Wir haben den nötigen Zuzug an qualifizierten Arbeitskräften, er ist sicher und schön“, schwärmte Philipp Bodzenta, Public Affairs Director von Coca-Cola in Österreich.
„Wir leben in einen Schlaraffenland“, streute Michael Mayer, Geschäftsführer von Business Network International (BNI) in Österreich und Deutschland, dem Standort Rosen. Wer wie er länger im Ausland lebe, wisse die Annehmlichkeiten im eigenen Land wieder sehr zu schätzen. „Wir raunzen auf sehr hohem Niveau“. René Tritscher, Geschäftsführer der Ansiedelungsagentur Austria Business Agency (ABA) konnte Mayer nur beipflichten. Österreich werde im Ausland nach wie vor sehr geschätzt. Internationale Firmen würde sich hier ansiedeln, um einen Zugang zum EU-Markt zu erhalten. Auch als Testmarkt werde Österreich gerne genutzt.
Philipp Bodzenta, Coca-Cola Österreich
Was nicht gut läuft
Kritik am Standort gab es einmal mehr an der oft überbordenden Bürokratie, etwa bei der Einreise von gesuchten Fachkräften außerhalb der EU. „Wir haben in Österreich eine GmbH gegründet und dann ewig gebraucht, einen Mitarbeiter aus den USA hierher zu bekommen“, klagte Josh Bridgewater vom US-Unternehmen Floodlight, das für Unternehmen satellitengestützte Analysen für Nachhaltigkeit und Klimafolgenabschätzung erstellt.
Bodzenta ortete im Einreiseprozedere ebenfalls Verbesserungsbedarf, so könnte es für gefragte Spezialisten eine „Fast-Track“ geben und die zuständigen Behörden müssten proaktiv als Servicestellen fungieren. „Die machen den Eindruck, als wollten sie die Menschen gar nicht im Land haben.“
Tritscher griff den Ball auf und verwies auf die Beratungsleistungen seiner Agentur beim On-Boarding von Arbeitskräften aus Drittstaaten. Über die ABA seien im Vorjahr 4.000 der 12.000 an ausgegebenen Rotweißrot-Karten abgewickelt worden. „90 Prozent davon innerhalb der 8-Wochen-Frist.“ Weitere Verfahrensverkürzungen würden angestrebt.
Michael Mayer, Business Network International
Was es jetzt braucht
Einig waren sich die Diskutanten, dass es im Land an Offenheit, Mut, Selbstbewusstsein und Unternehmergeist fehle. In den USA freue sich ein jedes Unternehmen, als erster eine neue Technologie einzusetzen, in Österreich warte man lieber ab, ob es auch funktioniert, berichtete Bridgewater über seine Erfahrungen mit Innovationen. Da brauche es mehr Start-up-Geist, also eine positivere Einstellung gegenüber Neuem.
Wie steht Österreich als Wirtschaftsstandort wirklich da? Mit welchen Herausforderungen haben Firmen zu kämpfen und welche Lösungsvorschläge haben sie? In Interviews mit heimischen Unternehmerinnen und Unternehmern beleuchtet der KURIER die Lage.
KURIER-Leser sind gefragt!
Haben Sie Vorschläge, wie der Wirtschaftsstandort Österreich wieder zu alter Stärke zurückfinden kann?
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Rene Tritscher, Austria Business Agency
Tritscher brachte einen Vergleich aus dem Fußball: „Wir spielen zu viel Verteidigungs- statt Offensivfußball.“ Das Ergebnis sei, dass Österreich bei den meisten internationalen Rankings im Mittelfeld herumgurke, anstatt wenigstens in ein zwei Bereichen ganz vorne zu sein. „Da braucht es Schwerpunktsetzungen“, die in der neuen Industriestrategie einfließen sollten.
„Wir haben so viel Potenzial im Land, aber wir nützen es nicht“, sagte Mayer. Das gegenseitige Schuldzuweisen bringe das Land nicht weiter. Ähnlich argumentierte auch Bodzenta, der für eine Aufbruchstimmung warb. "Die Krise muss als Chance genutzt werden, wir müssen jetzt für die Zukunft anpacken.“
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