Wirtschaftskraft am Wasser: 10 Seen im Vergleich

Die Zahl der Erwerbstätigen liegt an den meisten Seen unter dem Österreichschnitt.
Die Grundstückspreise sind am Wörthersee am höchsten, Leitbetriebe am Mondsee am stärksten, der Tourismus ganzjährig am Bodensee top. Und sonst? Kann man baden gehen.

Österreichs Seen sind wertvoll. Auch wenn sich der Preis für einen See wirtschaftlich nicht einfach darstellen lässt. 2011 ist der Verkauf des Mondsees an genau solchen unterschiedlichen Wertvorstellungen gescheitert: Die finanziellen Wünsche der Besitzerin passten nicht zu den Einschätzungen des potenziellen Käufers. Nicolette Waechter wollte 16 Millionen Euro, die Bundesforste boten 2,5 Millionen. Die Verhandlungen scheiterten.

Wirtschaftskraft am Wasser

Die Strategieberatung hoeffingersolutions untersucht regelmäßig die Wirtschaftskraft der zehn führenden Seen in Österreich. Der Befund: Bis auf einige Ausnahmen schlagen sich die Seen weit unter ihrem Wert. Vielen fehlt es an einem strategischen Konzept, wenige schaffen ein konzertiertes Vorgehen in puncto Wirtschaftsstandort, Tourismus und Immobilienwirtschaft.

So liegt die Zahl der Erwerbstätigen an den meisten Seen unter dem Österreichschnitt. Lediglich Mondsee, Attersee, Traunsee und Fuschlsee können aufgrund ihrer Leitbetriebe auf überdurchschnittliche Beschäftigungszahlen verweisen. Der Mondsee profitiert von seiner Nähe zu Salzburg, am Attersee beschäftigen der Faserhersteller Lenzing 2600 Mitarbeiter, Sandoz in Unterach 620 Mitarbeiter. Am Traunsee sind die Salinen Austria und die Gmundner Molkerei angesiedelt, am Fuschlsee Red Bull.

Bei den Immobilien rund um die österreichischen Seen gab es zwischen 2000 und 2011 enorme Wertsteigerungen. Jetzt stagnieren die Preise auf hohem Niveau. Die höchsten Seegrundstückspreise werden am Wörthersee erzielt (2500 Euro pro Quadratmeter), gefolgt von Mondsee und Attersee (2000 Euro), Millstätter See (1500 Euro)und Traunsee (1000 Euro). Die Entwicklung der Immobilienobjekte in der zweiten und dritten Seereihe und die öffentlichen Seezugänge spielen bei der Attraktivität als Immobilienstandort eine entscheidende Rolle. Der Bodensee hat mit 3,6 Kilometer die längste frei zugängliche Uferlinie, gefolgt von Wörthersee (1,5 km) und Attersee (1,4 km). Der Wörthersee hat mit Abstand die meisten Nebenwohnsitze, nämlich 17.471, gefolgt vom Attersee mit 9041. Der Wolfgangsee (3381 Nebenwohnsitze) hat mit 41 Prozent den größten Anteil an Nicht-Inländern.

Weniger Touristen

Beim Tourismus schaffen nur der Bodensee und der Weißensee ein Gästeplus. Alle anderen Seen verlieren im lang- und kurzfristigen Vergleich massiv an Nächtigungen. Der Attersee am stärksten mit minus 25 Prozent seit 2006, der Mondsee verlor im gleichen Zeitraum 22 Prozent, der Traunsee 16 Prozent. Überragender Spitzenreiter im Sommer ist und bleibt der Wörthersee mit 1,6 Millionen Nächtigungen im Sommerhalbjahr 2014. Herausragend war im Winterhalbjahr 2013/14 der Weißensee. Er zieht mit der größten Eisfläche Mitteleuropas vor allem holländische Urlauber an. Eine Ganzjahresattraktion an Seen ist die Spitzengastronomie: hier führen der Wörthersee mit 18 Haubenlokalen vor dem Bodensee mit zehn Haubenlokalen. Wenig Kulinarik bieten Attersee (2 Haubenlokale), Fuschlsee und Hallstätter See (je 1).

Bei einer Diskussionsrunde mit Lenzing-CEO Peter Untersperger, mit Bürgermeistern und Bewohnern der Attersee-Region zeigte sich, woran es der Seenregionen fehlt: am Gesamtkonzept. Verschiedene Gemeinden rund um den See verfolgen verschiedene Interessen. "Die Region weiß nicht, was sie will", so Untersperger. Der Tenor aus dem Publikum: Vieles soll bleiben, wie es ist, auch wenn dadurch die Gästezahl sinkt.

KURIER: Wieso braucht ein See Wirtschaftskraft? Ruhe und Stille sind doch auch schön.
Stefan Höffinger: Die Nachfrage nach einem Leben am See ist da und damit auch die Nachfrage nach Arbeit. Moderne Arbeitsformen müssen nicht unbedingt die Stille an einem See beeinträchtigen, Dynamik und Innovation sind kein Widerspruch zur See-Idylle. Es kann kein Ziel sein, dass an einem See alles ausstirbt und es totenstill ist.

Wie viel Vermarktung verträgt ein See?
In Österreich ist da noch sehr viel Luft nach oben. Es gibt zu wenig Zusammenarbeit aller Beteiligten. Seen in Bayern oder in Österreich der Bodensee zeigen, dass ein integriertes Destinationsmanagement durchaus sinnvoll ist.

Was macht man am Bodensee anders?
Da ist die Strategie Chefsache. Der Landeshauptmann hat den Bodensee als strategisch wichtig definiert, forciert die regionale und internationale Zusammenarbeit. Hier wird Hochkultur mit Handwerk verbunden, ländliche Aspekte mit urbanen. Ein gutes Gesamtmanagement.

Braucht ein See einen kommerziellen Fokus oder von allem ein bisschen was?
Beides. Die Beteiligten sollen integriert denken, sich eine Identität schaffen. An manchen Seen war das vor hundert Jahren besser als heute.

Wieso ist es für viele Seen schwierig, ein Gesamtkonzept zu finden?
Weil sie nicht an einem Strang ziehen. Bei den großen Seen in Oberösterreich ist das bemerkenswert, weil die finanziellen Mittel vorhanden sind, etwa am Attersee und Traunsee. Aber hier fehlen die Managementfähigkeiten, fehlt die Ambition. Diese Seen fallen sukzessive zurück, weil Stillstand immer einen Rückfall bedeutet.

Oh du armer Millstätter See. Du leidest unter hoher Arbeitslosigkeit, wechselhaftem Wetter, moderaten Grundstückspreisen und knausrigen Touristen. Kein Wunder, dass die Veranstalter des hippen „Body Painting Festivals“ im Vorjahr das Weite suchten und sich an den Wörthersee vertschüssten. Ja, ja, der Wörthersee. Dort spielt die Musik, dort ist alles hipp, alles hopp, alles teuer – alles unecht. Hier klingelt die Kasse, hier stülpen Tourismusexperten ihre fragwürdigen Konzepte über eine wehrlose Bevölkerung. Motto: Gib Gummi und immer die Hände in die Höhe!

Aber mal ganz ehrlich: Konkurriert der Millstätter See tatsächlich gegen den Wörthersee im Wettkampf um den profitabelsten Wasserfleck in Österreich?

In Wirklichkeit geht es doch nur um Arbeitsbeschaffung für die Beratungsbranche: Tourismus-, Standort- und Unternehmensberater, Wertschöpfungserheber und Wachstumsförderer machen in ihrem Selbsterhaltungstrieb vor nichts Halt. Nicht einmal die Natur ist ihnen wertvoll genug, sie soll gnadenlos optimiert werden. Muss wirklich jede Alm, jeder Teich, jede Wiese vermessen, bewertet, verglichen werden? Muss alles kommerzialisiert werden?

Nein, bestimmt nicht. Ein See ist und bleibt ein See. Und am Millstätter See muss nichts bekrittelt werden, er ist genau richtig, so wie er ist. Einzigartig, unverfälscht. So wie die Menschen, die rund um den See leben und sich nichts von außen aufschwatzen lassen.

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