Mit TTIP einige Gewinner, aber viele Verlierer

Einige Gewinner, viele Verlierer", fasst der Wifo-Ökonom und emeritierte WU-Professor Fritz Breuss Studienergebnisse in Bezug auf mögliche wirtschaftliche Auswirkungen des geplanten EU-Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) zusammen. Während einmal die USA, ein andermal die EU Gewinner ist, "dürfte es zu starken (und politisch brisanten) Verlusten an Handel und Wohlfahrt in Drittstaaten kommen".
Studien, die im Auftrag der Europäischen Kommission (ECORYS, CEPR) erarbeitet wurden, weisen höhere Effekte für die EU als für die USA aus. Unabhängige Studien (CEPII und ECIPE) kommen eher zum Ergebnis, dass die USA mehr gewinnt als die EU bzw. die Gewinne gleich hoch sind, analysiert Breuss in einem aktuellen "Policy Brief" für den gemeinsamen Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft (FIW).
Die Ergebnisse bezüglich der Auswirkungen auf den gesamten Außenhandel sind sehr unterschiedlich, schreibt Breuss. Es komme außerdem zu massiven Handelsumlenkungen, "praktisch alle nicht an der TTIP beteiligten Drittstaaten verlieren massiv".
Es würde auch der bilaterale Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten innerhalb der EU und der Eurozone schrumpfen. Die USA würden mit TTIP ihren Handel am stärksten mit China und Russland verringern. Es bleibe daher abzuwarten, "ob ein solches Ergebnis noch GATT- bzw. WTO-konform ist", so Breuss. China und Russland könnten Protest einlegen, worüber ein Streitschlichtungsverfahren bei der WTO entscheiden müsste. Außerdem müssten sich auch die Mitgliedstaaten der EU fragen, ob solche negativen Effekte für sie tragbar seien.
Keine "Wunderwaffe"
Die erhoffte "Wunderwaffe" gegen die anhaltende Krise sei TTIP nicht, da die erwarteten Wohlfahrtsgewinne erst langfristig eintreten würden. Die Gewinne unterscheiden sich wiederum stark, je nach dem in den Studien verwendeten Modell. Während allgemeine Gleichgewichtsmodelle (CGE-Modelle) sehr geringe Wohlfahrtseffekte mit 0,5 Prozent bis 1 Prozent BIP-Wachstum prognostizieren, werden bei Gravitationsmodellen außerordentlich hohe Gewinne mit Steigerung der Realeinkommen in der EU um 5 Prozent und in den USA um 13,4 Prozent errechnet. Für Österreich wird laut Breuss eine langfristig realisierbare BIP-Zunahme von 1,7 Prozent bis 2,9 Prozent geschätzt.
Die in den Studien angeführten Ergebnisse verstehen sich als "kumulierte Langfristeffekte", die nach einer Anpassungsperiode von zehn bis 20 Jahren wirken sollten. Will man Kurzfristeffekte und damit das jährliche BIP-Wachstum abschätzen, kann man die Ergebnisse etwa durch zehn oder 20 Jahre dividieren. Dann wiederum würden die Prognosen der CGE-Modelle nahezu gänzlich "verdampfen". Einzig Werte von einer ifo/BS-Studie (im Auftrag des deutschen Wirtschaftsministeriums und der Bertelsmann Stiftung) würden noch einen jährlichen BIP-Pro-Kopf-Zuwachs von 0,9 Prozent für die USA und 0,3 Prozent für die EU erwarten.
Studien "völlig unplausibel"
Eine der wenigen US-Studien zum TTIP von der US-amerikanischen Tufts University (mehr dazu hier) bewertet Breuss als "völlig unplausibel", das verwendete globale Makromodell sei ungeeignet für die Abschätzung der Effekte von Handelsabkommen. Geht es nach dem Studienautor, würde vom TTIP langfristig nur die USA gewinnen, während alle EU-Länder verlieren. Weiters würde TTIP sich in Europa negativ auf Exporte, BIP, Arbeitseinkommen, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Finanzmarktstabilität auswirken und einzig für das Kapital einen positiven Effekt haben.
In Bezug auf die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze komme es bei den Studien meist zu keinen nennenswerten Zuwächsen, aber zu beträchtlichen sektoralen Verschiebungen und auch der starke Handelsumlenkungseffekt komme zum Tragen. Während in der EU und den USA die Arbeitsplätze mehr werden, verlieren wiederum die Drittländer.
Proteste
Dass es seit Beginn der Verhandlungen zu TTIP Proteste gibt, während der Öffentlichkeit das Abkommen EU-Südkorea nicht interessiere, erklärt Breuss mit dem durch die NSA-Spionageaffäre angeschlagenen Vertrauen zu den USA. Das bisher "ehrgeizigste und umfassendste" EU-Freihandelsabkommen mit Südkorea ist am 1. Juli 2011 in Kraft getreten. Das Abkommen mit Kanada (CETA) sei im selben "Geist" und CETA wiederum Vorbild für TTIP. In Bezug auf die umstrittenen Regelungen zum Investorenschutz (ISDS) sei "angesichts des Umfangs der TTIP auch die Installation eines eigenen TTIP-Streitbeilegungsverfahrens mit eigener Gerichtsbarkeit" vorstellbar.
Die nächste Verhandlungsrunde zum EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP wird im Februar 2015 stattfinden, erklärte die neue Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag in Brüssel. Vor Beginn des EU-Handelsrats, bei dem Österreich durch Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) vertreten ist, sage Malmström, heute gehe es darum, Bilanz über die bisherige Entwicklung zu ziehen.
Ihr Treffen mit US-Verhandler Mike Froman sei "sehr gut" gewesen. Nach den jüngsten Wahlen in den USA gebe es eine "positive Atmosphäre" zu TTIP. Es handle sich, wie auch US-Präsident Barack Obama erklärt habe, um eine Priorität für die Amerikaner, sagte Malmström. Sie selbst werde in zwei Wochen in Washington Gespräche führen. Froman zeige sich jedenfalls sehr zuversichtlich und sagte, er sei davon überzeugt, dass eine gute Vereinbarung über ein Handelsabkommen auch für die Konsumenten von Vorteil wäre.
Der irische Innovations-, Unternehmens- und Arbeitsminister Richard Bruton zeigte sich ebenfalls vom Erfolg eines TTIP-Abkommens überzeugt. Sowohl die EU als die USA würden Vorteile sehen, vor allem was die Beschäftigung in Europa betreffe. Trotzdem gelte es, sorgfältig alles abzuwägen.
Beim EU-Handelsrat werden keine Neuigkeiten zum heiß diskutierte transatlantische Handels- und Investitionsabkommen mit den USA erwartet. Die EU-Kommission muss zunächst das Konsultationsergebnis zum umstrittenen Investorenschutz (ISDS) liefern. Dieses soll bis Jahresende vorliegen.
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