Wir setzen auf die Aussage von Bundeskanzler Kurz, dass der öffentliche Verkehr als eine der Rückgratfunktionen des Staates weiter funktionieren muss. Daran halten wir uns. Und wir setzen auf die Zusage der Regierung, dass jedem Unternehmen geholfen wird, um durch die Krise zu kommen. Wir verhandeln derzeit bereits mit dem Klima-Ministerium über die Abwicklung und die Höhe der Hilfeleistung.
Von den ÖBB hört man, dass der tägliche Verlust bei rund zehn Millionen Euro liegt. Wo ordnet sich die Westbahn ein?
Unsere Berechnungen ergeben einen Umsatzentgang von rund 170.000 Euro pro Tag. Trotz Einsparungen und Kurzarbeit bedeutet das täglich knapp 110.000 Euro Verlust bzw. pro Monat über drei Millionen Euro, die ausgeglichen werden müssen. Das hört sich im ersten Moment im Vergleich zur Staatsbahn vielleicht nicht so hoch an. Doch da wir als Privatbahn aber nicht durch Leistungsbestellungen für Nahverkehre mit öffentlichen Geldern grundausgestattet sind, trifft uns der ausbleibende Umsatz noch viel, viel stärker und 100 Mal direkter. Eine effektive finanzielle Unterstützung ist für unser Überleben daher deutlich schneller notwendig als für den Staatsbetrieb. Nur so ist auch weiterhin gewährleistet, dass es Wettbewerb auf der Schiene auch nach Corona gibt. Wenn die Krise vorbei ist, brauchen wir den öffentlichen Verkehr. Wir kriegen das hin.
Stichwort nach der Krise. Dann rücken Schiene, Straße, Mobilität und Klimaschutz wieder ins öffentliche und politische Interesse. Wie beurteilen Sie die Pläne der Regierung?
Es wird versucht, Politik zu machen. Diesen Eindruck hatte ich vorher nie. Da wurde nur irgendwie kurzfristig am Bestand weiter herum gedoktort, die früheren SPÖ-Verkehrsminister waren von der Gewerkschaft gesteuert. Jetzt gibt es im Regierungsprogramm, dem man die grüne Handschrift stark anmerkt, einen Masterplan und einen Infrastrukturplan bis 2040. Man versucht, aus dem Problem der Kurzfristigkeit herauszukommen und analysiert die Zusammenhänge zwischen Straße, Schiene, Luftfahrt etc und definiert sehr konkrete Maßnahmen. Das ist ein großer Fortschritt, aber eigentlich auch riskant.
Worin besteht das Risiko?
Konkrete Maßnahmen sind nachprüfbar, das ist sehr mutig und hat viel mit anderer Politik zu tun, die gestaltet. Durch alle Bereiche, von der Infrastruktur bis zu den Tarifen. Das ist wirklich gut und kommt der Schweiz ziemlich nahe.
So gar keine Kritik?
Das kritischste ist, dass alle mitmachen müssen. Wenn nicht, ist diese große Chance verpasst. Es ist ja nicht nur Österreich auf dem Klimaweg. Die EU hat den European Green Deal ausgerufen und wir passen jetzt mit unserer Klimapolitik viel besser als andere Länder zu Europa.
Sie sind in Brüssel Präsident der Allrail, der Vereinigung aller Privatbahnen in der EU. Sehen Sie künftig mehr Chancen für Privatbahnen ?
In Brüssel werden die Budgets Richtung Klimaschutz völlig umdisponiert, hoffentlich hält das auch nach Corona. Österreich war bisher bekannt dafür, im Verkehrsministerrat alles zu blockieren, was in die Richtung Öffnung und Liberalisierung geht. In Österreich werden fast alle Bahnstrecken über die Verkehrsdienstverträge vom Staat bestellt, zu 80 Prozent vom Bund, der Rest von den Ländern finanziert. Das betrifft mehr als 90 Prozent aller Verbindungen, ausgenommen sind nur Wien-Salzburg, der Fernverkehr und einige wenige Teilstrecken. Das heißt aber, der Staat bezahlt das Infrastrukturbenutzungsentgelt, das die ÖBB für die Benutzung der Schienen bekommen und in den Ausbau der Infrastruktur investieren, großteils selbst und obendrein auch noch eine Gewinnmarge.
Können Sie das bitte erklären?
Derzeit wird alles freihändig vergeben, erst ab Ende 2023 muss laut EU-Vorgabe ausgeschrieben werden. In den Abgeltungsbeträgen, welche die ÖBB für die Leistungsbestellung verrechnen, ist eine Gewinnmarge enthalten. Die könnte sich der Staat zum Teil ersparen, Allrail hat vorgeschlagen, dass nur die direkten Kosten als Benützungsentgelt verrechnet werden. Damit würden die Kosten für Zugfahrten sinken und sich mehr private Investoren finden. Es würde mehr Schienenverkehr generiert, ohne die Steuerzahler zusätzlich zu belasten.
Wird die Westbahn auch in das 1-2-3-Öffi-Ticket eingebunden?
Ja, wir wollen mit dabei sein und wurden sofort zu Gesprächen eingeladen. Es ist sehr clever von Türkis/Grün, nicht gegen die Autofahrer zu agieren, sondern zu versuchen, die Menschen mit einem attraktiven Angebot zum freiwilligen Umstieg zu überzeugen. Die Schweiz hat schon lange ein Generalabo, das kostet wesentlich mehr, nämlich 3860 Franken (rund 3554 Euro), und hat trotzdem eine halbe Million Nutzer. In der EU hat die Schiene nicht einmal zehn Prozent Marktanteil.
Wollten Sie mit dem chinesischen Zwischenspiel beim Kauf neuer Züge Druck auf den Schweizer Produzenten Stadler machen?
Nein, wir haben bei fünf Anbietern angefragt, Stadler hatte den kürzesten Liefertermin. Der erste Zug kommt im März 2021. Stadler lieferte auch die Finanzierung über eine Leasing-Tochter. Unsere alte Finanzierung lief über Bankkredite und war wesentlich teurer wegen der notwendigen Kreditversicherung. Die Staatsbahnen haben kein Finanzierungsproblem, hinter ihnen steht ja der Staat. Zugsfinanzierungen für Private müssen in der EU aber günstiger werden und neue Wege gefunden werden. Nur so bekommt man private Investoren, etwa Pensionsfonds, die langfristige Investments suchen, jedoch nicht riskant investieren dürfen.
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