Wenn Zinsen ins Koma fallen

Wenn Zinsen ins Koma fallen
So wirkt sich der historische Kraftakt der Europäischen Zentralbank aus.

Eine Welt, in der man dafür zahlen muss, wenn man Geld auf die Bank trägt, und dafür belohnt wird, wenn man sich Geld ausborgt, wäre bis vor Kurzem noch undenkbar gewesen. Für Banken im Euroraum ist sie Realität. Kurzfristiges Geld bekommen sie von der Europäischen Zentralbank (EZB) seit der historischen Zinssenkung am Donnerstag jetzt zum Nulltarif. Ab Juni stellt die EZB vier Jahre laufende Kredite mit Negativzinsen zur Verfügung. Das heißt: Die Banken müssen weniger zurückzahlen als sie sich ausborgen. Wenn sie hingegen Geld bei der EZB parken, müssen sie dafür Strafe zahlen.

Wie wird sich diese verkehrte Welt auf die verschiedenen Bereiche auswirken?

Der KURIER hat die wichtigsten Antworten zusammengefasst.

Wird es für Sparbücher oder Sparcards auch bald Strafzinsen geben?

Nein. Aus den heimischen Banken heißt es unisono, dass Spareinlagen wertvoll seien und dass es daher auch keine Bestrafung dafür gebe. Dieses Versprechen kann auch gar nicht gebrochen werden. Schon seit Jahren liegen Höchstgerichtsentscheide vor, die besagen, dass Minuszinsen auf Spareinlagen verboten sind. Trotzdem ist die Realität für Sparer mehr als traurig. Die Verzinsung wird noch Jahre hindurch winzig bleiben.

Werden statt Minuszinsen Gebühren fürs Sparen zu berappen sein?

Vielleicht. Von den Geldinstituten ist zu hören, dass aktuell nicht geplant sei, an der Gebührenschraube zu drehen. Das kann sich allerdings ändern, wenn die Ertragsnot der Banken allzu groß wird. Im derzeitigen Umfeld brechen den Instituten schließlich Zinserträge weg.

Wie schauen die Auswirkungen auf Bausparverträge aus?

Bei laufenden Verträgen, die fix verzinst sind, bleibt alles beim Alten, also bei dem, was im Vertrag steht. Die variabel verzinsten Bausparer sind an einen Kapitalmarktindikator gebunden. Sie werden jeweils zu Jahresbeginn neu festgelegt. Derzeit zahlen die Bausparkassen auf variable Verträge 1,75 bis zwei Prozent im ersten Jahr, dann 0,1 bis 0,2 Prozent. Damit sei eine Untergrenze erreicht. Tiefer wollen die Bausparkassen die Zinsen nicht senken, sagen sie derzeit. Die staatliche Prämie von 18 Euro pro Jahr wird in diesem Minizins-Umfeld wichtiger.

Wie ist die Lebensversicherung betroffen?

Die Finanzmarktaufsicht hat den Garantiezins für die Lebensversicherung Anfang Jänner von 1,5 auf 1,0 Prozent gesenkt. Dieser Satz gibt an, wie viel die Versicherer höchstens versprechen dürfen. Darüber hinaus wird eine Gewinnbeteiligung zugewiesen. Manfred Rapf, einer der Chefs der s-Versicherung, ist sicher, dass er den Gesamtertrag von derzeit 2,75 Prozent auch künftig bieten kann. Allerdings werden die Versicherer alternative Veranlagungen suchen, etwa langfristige Darlehensgeschäfte.

Werden die Erträge von Pensionskassen leiden?

Unmittelbar sieht Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen, keine Probleme. Im Gegenteil: Bei Staatsanleihen und Aktien, die die Kassen gekauft haben, winken Kursgewinne. Herausfordernd werde aber die Neuveranlagung. Dabei werde man sich breiter aufstellen müssen, um Erträge zu schaffen. Etwa durch Investments in Immobilien und – über Fondsvehikel – in Infrastruktur.

Wird es eine Belohnung für jene geben, die Kredite aufnehmen?

Nein, ist in den heimischen Banken zu hören. Sie betrachten Kredite als entgeltliches Zurverfügungstellen von Kapital.

Werden die Kreditzinsen sinken?

Aus jetziger Sicht sind in den Banken keine Änderungen bei den Kreditzinsen geplant, weder nach unten noch nach oben. In Deutschland wird mittlerweile schon befürchtet, dass die dortigen Banken die Zinsen anheben könnten, um fehlende Erträge zu ersetzen.

Wer profitiert eigentlich von der EZB-Politik?

Vor allem die Eurostaaten. Die EZB hat ihr Programm zum Aufkauf von Wertpapieren (wie Staatsanleihen) von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat ausgeweitet. Diese Milliarden treiben die Anleihenkurse hoch und drücken auf die Renditen. Solide Länder wie Deutschland verdienen schon beim Schuldenmachen, hoch verschuldete Staaten wie Italien kommen billiger an Geld.

Hilft das Zinstief den Aktienbörsen?

Ja. Geld zum Billigtarif soll die Konjunktur ankurbeln. Dadurch könnten die Unternehmen mehr verdienen, das hilft den Kursen. Vor allem aber: Für Investoren, die Erträge suchen, gibt es kaum Alternativen zu Aktien. Diese Nachfrage treibt die Börsen an.

Viel günstiger wird es wohl nicht mehr werden. Im Dezember 2015 hat der Zinssatz für die Wohnbaukredite der privaten Haushalte einen Tiefststand von lediglich 2,01 Prozent erreicht. Kein Wunder, dass die Gesamtsumme der Wohnbaukredite im Vorjahr laut Nationalbank um 3,5 Prozent auf 94,7 Milliarden gestiegen ist. Die Nachfrage nach Wohnraum ist nicht zuletzt wegen der Zuwanderung vor allem in Wien weiterhin hoch.

Derzeit werden kürzere Kreditlaufzeiten bevorzugt. Am beliebtesten sind Laufzeiten bis zu fünf Jahren. Das Kreditwachstum bei den Unternehmen hat sich hingegen abgeschwächt. Im Dezember 2015 betrug es lediglich 0,6 Prozent. Der Statistik-Chef der Nationalbank , Johannes Turner, nennt als Grund dafür die geringe Nachfrage. Die Zinsen sind in Österreich vor allem bei Krediten unter einer Million Euro niedriger als im Euroraum. Die Mittelmeer-Länder drücken den Durchschnittswert nach oben. In Deutschland ist das Zinsniveau etwa so wie hierzulande. Da für eine langfristige Bindung nur wenig mehr Zinsen bezahlt werden, ist die Motivation der Bankkunden gering, in solche Anlageformen zu investieren. Jeder zweite Euro, der bei den Banken deponiert wurde, ist täglich verfügbar.

Minizinsen

Die Österreicher bringen ihr Geld trotz Minizinsen weiterhin auf die Bank. Da gibt es zwar kaum was zu verdienen, aber dafür ist das Vermögen sicher. Kein Wunder, dass die Liquidität der Banken gestiegen ist. Als Alternative wird von den Haushalten nach wie vor in Investmentfonds investiert.

Die Banken haben sich längst auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt. Bankenanleihen sind nicht mehr interessant. Stattdessen setzen die Geldinstitute seit mehreren Jahren auf Staatsanleihen. Damit kann man immerhin noch etwas Geld verdienen. Lediglich im Jahr 2015 war dieser Trend leicht rückläufig.

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