Lagarde warnt: "Wir werden alle gebraten"
Beim Treffen von IWF und Weltbank in Lima geht es auch ums Klima: Es klafft noch eine 40-Milliarden-Dollar-Lücke beim Hilfsfonds für die von der Erderwärmung betroffenen Länder. Auch die Finanzelite weiß: Ohne Handeln drohen weitere Flüchtlingswellen.
Christine Lagarde hat keine Lust auf diplomatische Floskeln. Wenn sich alle wegducken, "werden wir uns in Hendln verwandeln und wir werden alle gebraten, gegrillt, getoastet und geröstet", mahnt die Chefin des Internationalen Währungsfonds im Beisein von Weltbank-Präsident Jim Yong Kim und UN-Klimachefin Christiana Figueres. Selten hat das Klimathema eine so dominante Rolle bei dem Jahrestreffen der globalen Finanzelite gespielt.
Auch in der peruanischen Hauptstadt Lima, wo IWF und Weltbank bis Sonntag den Kurs der nächsten Monate abstecken, wird wieder der virtuelle Klingelbeutel herumgereicht. Denn alle wissen, die aktuelle Flüchtlingswelle aus Syrien kann erst der Anfang sein. Was, wenn Millionen Menschen wegen Dürren, Überschwemmungen und unerträglicher Hitze ihre Länder verlassen, etwa in Afrika?
61,8 Milliarden Dollar gesammelt
Nach einer in Lima vorgestellten OECD-Analyse sind inzwischen immerhin schon 61,8 Milliarden US-Dollar eingesammelt, die ab 2020 jährlich gerade Entwicklungs- und Schwellenländern bei der Anpassung an den Klimawandel helfen sollen. Zudem soll mit den Hilfen der Umstieg auf erneuerbare Energien gefördert werden.
Davon kommen 16,7 Milliarden aus privaten Mitteln - das Ziel lautet aber, dass ab 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar mobilisiert werden sollen. Pro Jahr. Allein Deutschland will rund 4,5 Milliarden Dollar beisteuern. Österreichs will sich seitens des Bundes mit 25 Millionen Dollar beteiligen, Bundesländer und Wirtschaft sollen noch einmal 25 Millionen Dollar beisteuern. Für die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner viel zu wenig: "Der Beitrag Österreichs ist leider äußerst peinlich. Ein fairer Beitrag Österreichs läge bei 100 Millionen Dollar". Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ist extra nach Lima gereist, um dafür zu werben, dass die fehlenden 40 Milliarden Dollar noch zusammenkommen.
Denn die Finanzzusagen gelten als Schlüssel für einen Erfolg beim Klimagipfel im Dezember in Paris. Ohne großzügige Hilfen gibt es keine Einigung auf einen erstmaligen Weltklimavertrag, in dem 195 Staaten sich zu Treibhausgasminderungen verpflichten. Wobei auch hier das Prinzip Klingelbeutel dominiert - jeder gibt, was er zu geben gedenkt. Die EU will bis 2030 40 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 ausstoßen, während China und Indien eine Reduzierung beim CO2-Ausstoß nur vage in Aussicht stellen.
"Subventionen streichen, CO2-Steuer einführen"
So ist Lagardes Appell auch so zu verstehen, dass mehr getan werden muss. "Das ist jetzt der richtige Moment, eine CO2-Steuer einzuführen - und es ist der richtige Moment, Subventionen zu streichen", fordert sie. Früher wären solche Töne undenkbar gewesen. Durch einen Preis für die Klimaverschmutzung sieht Lagarde eine Chance, das Ziel zu schaffen, dass die Erde sich nicht um mehr als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Figueres betont, es gebe noch eine beträchtliche Lücke, die geschlossen werden muss, um das Zwei-Grad-Ziel zu schaffen.
Längst verabschieden sich führende Staaten von der Förderung der Kohlekraft, die zähe Suche des Energiekonzerns Vattenfall nach einem Käufer für sein Braunkohlegeschäft in der Lausitz unterstreicht den Trend. Auch die Finanzwelt sieht fossile Energieträger zunehmend als Auslaufmodell, die Krise von RWE und Eon ist ein klares Beispiel. Das norwegische Parlament hat im Juni beschlossen, dass der milliardenschwere staatliche Pensionsfonds Unternehmen, die 30 Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit Kohle machen, aus dem Portfolio nehmen muss.
Kritik an USA und Japan
Also alles auf einem guten Weg? In Sachen Klimafonds bleibt der Oxfam-Experte Jan Kowalzig skeptisch: "Es wird unterschlagen, dass sich viele Geberländer auch solche Hilfsprojekte auf ihr Konto gut schreiben, bei denen Klimaschutz nur am Rande vorkommt." Gerade von den USA und Japan müsse mehr kommen. Außerdem würden auch Kredite zu marktüblichen Zinsen eingepreist. Und nur 16 Prozent der Mittel stünden bisher für die Unterstützung armer Länder im Kampf gegen Dürren und Überschwemmungen zu Verfügung.
Als Gegenstück zu den G20 haben sich in Lima 20 Staaten zu den V20 zusammengeschlossen - 20 besonders verwundbare Staaten, darunter die Philippinen. "Diese Gruppe wird eine wichtige Rolle spielen, um den Druck für Klimaschutzinvestitionen und eine Verringerung der fossilen Energieträger zu erhöhen", sagt Weltbank-Präsident Jim Yong Kim.
Die zwanzig am stärksten durch den Klimawandel bedrohten Staaten haben sich wenige Wochen vor dem Weltklimagipfel zur Gruppe der "V20" zusammengeschlossen, um ihre Anstrengungen zu bündeln. Die Finanzminister der betroffenen Staaten hoben ihre Allianz am Donnerstag in Lima als Gegengewicht zur G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer aus der Taufe.
Als eine ihrer ersten Maßnahmen beschlossen die V20 die Einrichtung eines Versicherungsmechanismus gegen extreme Wetterphänomene und Naturkatastrophen, der aus privaten und öffentlichen Quellen finanziert werden soll. Der Gruppe gehören einige der ärmsten und kleinsten Staaten der Welt an, zu ihrem ersten Präsidenten bestimmte sie den philippinischen Finanzminister Cesar Purisima. Er warnte, ohne einen effektiven weltumspannenden Kampf gegen den Klimawandel kämen alleine auf die V20 bis 2030 Kosten von 400 Milliarden Dollar (355 Milliarden Euro) zu.
Für ihr Eröffnungstreffen wählten die V20 bewusst die peruanische Hauptstadt Lima. Dort finden in dieser Woche auch die Jahrestreffen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) statt. In einer Erklärung hieß es, die V20 seien "Heimat von fast 700 Millionen Menschen, und wir sind vereint in unserer geteilten Verletzlichkeit und Gefährdung durch den Klimawandel." Das V in dem Namen steht für Verletzlichkeit (vulnerability).
Gipfel im Dezember in Paris
Im Dezember findet in Paris der Weltklimagipfel statt, bei dem ein neues bindendes Abkommen zur Reduzierung der CO2-Emissionen verabschiedet werden soll. Ziel ist es, so die Temperaturerhöhung bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen. UN-Klimachefin Christiana Figueres drängte die G20-Staaten am Donnerstag, die V20 kräftig finanziell zu unterstützen. "Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein grundlegendes Wirtschaftsproblem, für das finanzielle Lösungen gebraucht werden."
Die Mitglieder der V20-Gruppe sind Afghanistan, Äthiopien, Bangladesch, Barbados, Bhutan, Costa Rica, Ghana, Kenia, Kiribati, Madagaskar, die Malediven, Nepal, Osttimor, die Philippinen, Ruanda, St. Lucia, Tansania, Tuvalu, Vanuatu und Vietnam.
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