Welle von "Ramsch"-Ratings rollt an

Brasilien war nur der Anfang: Auch andere Schwellenländer wie die Türkei oder Südafrika müssen um ihre Bonitätsnoten bangen. Senken die großen Rating-Agenturen wie Standard & Poor's (S&P), Moody's oder Fitch den Daumen und stufen die Kreditwürdigkeit ihrer Anleihen als "Ramsch" ein, ziehen Anleger aus Sorge vor Zahlungsausfällen massiv Geld aus diesen Staaten ab.
Deren Wachstum, das ohnehin schon unter dem Preisverfall wichtiger Exportgüter wie Rohöl oder Kupfer leidet, könnte dann vollends zum Erliegen kommen. Die Aufnahme neuer Kredite zur Ankurbelung der Wirtschaft wird für diese Staaten nun teurer, da Geldgeber oft für ein schlechteres Rating höhere Zinsen verlangen.
Geld fließt aus dem Zarenreich ab
Seit dem Abstieg Russlands aus dem Barclays Global Aggregate Bond Index vor einigen Monaten zogen Anleger geschätzte 140 Milliarden Dollar aus dem ehemaligen Zarenreich ab. Sollte nach S&P eine weitere der großen Rating-Agenturen brasilianische Bonds auf "Ramsch" setzen, würden Anleger Anleihen im Volumen von mehr als 20 Milliarden Dollar auf den Markt werfen, schätzen die Experten der US-Bank JPMorgan. Vor allem Lebensversicherer und Pensionsfonds trennen sich von den Papieren, da sie meist nur Bonds mit dem Gütesiegel "Investment Grade" halten dürfen.
Brasilien zog Konsequenzen
Brasilien hat bereits auf die S&P-Schelte reagiert: Das südamerikanische Land will über Steuererhöhungen künftig jährlich umgerechnet 15 Milliarden Euro einnehmen. Gleichzeitig strich die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff zahlreiche Steuervergünstigungen und verschob Gehaltserhöhungen für Staatsbedienstete.
Bisher ist die Zahl der Schwellenländer mit einem negativen Rating-Ausblick - deren Kreditwürdigkeit also auf dem Prüfstand steht - überschaubar. Außerdem betonen die Rating-Agenturen, dass die Finanzlage vieler Staaten deutlich besser ist als noch vor einigen Jahren.
Ultraniedrige Zinsen
Viele Schwellenländer hatten es in den vergangenen Jahren leicht, zur Finanzierung ihres Wachstums an ausländisches Kapital zu kommen. Da Staatsanleihen der Industrienationen wegen der ultraniedrigen Zinsen nichts abwarfen, pumpten Investoren ihr Geld in Papiere aus Brasilien, der Türkei oder Russland. Diese Staaten sind aber kaum vorbereitet auf die Zeit nach der Geldschwemme, wenn Anleger dank der Aussicht auf steigende US-Zinsen wieder verstärkt die als sicher geltenden US-Treasuries kaufen.
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