Wasserkraft-Projekte: UWD verlangt "Tabuzonen"
Ein "Aus" für die Ökostrom-Förderung der Kleinwasserkraft und eine bessere Koordinierung der heimischen Wasserkraft-Ausbaupläne fordert der Umweltdachverband (UWD). Dazu sollte im Lichte der "Natura 2000"-Ziele ein "Runder Tisch" einberufen werden, wurde am Dienstag gefordert und ein Planungs-"Wildwuchs" speziell der Kommunen kritisiert. Die E-Wirtschaft hat ohnedies schon Projekte ad acta gelegt.
Nagelpobe "Natura 2000"
Nagelprobe seien die nächsten Etappen des "Natura 2000"-Prozesses, der noch bis Ende 2015 läuft, gab Heilingbrunner zu verstehen. "Natura 2000" bezeichnet laut Wikipedia ein Netz von Schutzgebieten, das gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU errichtet wird. Ziel ist ein länderübergreifender Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. Heuer im Juni müsse Österreich dazu die erste Mitteilung an die EU machen, so der Jurist und Anwalt Heilingbrunner; die erste Tranche von Gebieten müsse bis September nominiert werden, bis Ende 2015 die zweite.
Ob dann letztendlich 220 Gebiete oder auch nur 170, 150 oder 140 draufstehen werden, lasse sich derzeit noch nicht sagen, meinte Heilingbrunner. Bisher, mit Stand des Jahres 2012, hat Österreichs "Natura 2000"-Netzwerk 220 Gebiete mit 12.324 km2 Gesamtfläche aufgewiesen, was 14,7 Prozent der Staatsfläche entspricht. EU-weit lag der Schnitt vor zwei Jahren bei 17,5 Prozent.
"Den Bach runter"
Derzeit würden die Wasserkraft-Pläne in Österreich weit übers Ziel hinausschießen, warf der UWD-Präsident den Projektanten vor, die heute aber mehr bei Gemeinden lägen, die sich als "Glücksritter" betätigen wollten, als bei der klassischen E-Wirtschaft, die sich ohnedies schon von diversen Vorhaben verabschiedet habe, nicht nur in Osttirol. Mit ein Grund für die Planungswut etwa von Kommunen sei die Ökostromförderung für Wasserkraft - 2 Mio. Euro jährlich via Stromtarif und 16 Mio. Euro als Investitionsförderung. Diese Subventionen sollten 2015 "komplett beendet oder in Richtung Solarförderung umgeschichtet werden", verlangte Heilingbrunner. Derzeit gingen die Mittel einfach "den Bach runter", das sei "Geldvernichtung".
Bundesweit sind laut UWD insgesamt 300 Kraftwerke mit einem Regelarbeitsvermögen (RAV) von jährlich 13,75 TWh in Bau, seit kurzem in Betrieb oder geplant - freilich mit gewissen Redundanzen, so dass nicht mit der Verwirklichung aller Anlagen zu rechnen sei, wie man einräumt. Spitzenreiter in punkto Planung sei Kärnten mit 27 Anlagen, gefolgt von Tirol (43), Vorarlberg (26), Steiermark (25), OÖ (22), Salzburg (22) und NÖ (7).
Obwohl das heimische Wasserkraftpotenzial bereits zu drei Viertel genutzt sei, werde in die letzten freien und ökologisch wertvollen Fließstrecken hineingedrängt. Es komme einem ökologischen Desaster gleich, dass 37 der geplanten Kraftwerke mit rund 5,6 TWh/a RAV in "Natura 2000"-Gebieten, Nationalparks oder Naturdenkmälern lägen, so der UWD. Das betreffe etwa die Natura-Gebiete Ober- und Mittellauf der Mur, Untere Traun und die Salzach-Auen.
Samt Fließstrecken mit gutem oder sehr gutem Öko-Zustand erhöhe sich die Zahl der Bauvorhaben auf unglaubliche 110 mit 6,9 TWh/a RAV - was etwa der Hälfte des jährlichen Arbeitsvermögens aller heimischen Donaukraftwerke entspreche. Damit betreffe mehr als die Hälfte aller Planungen (52 Prozent) sehr sensible Gebiete, ein Drittel davon (2,4 TWh/a) entfalle auf besonders umweltschädliche Laufkraftwerke, meinte Heilingbrunner.
Allein diese - mögliche bzw. zu befürchtende - Erweiterung des heimischen Kraftwerksnetzes an den letzten weitgehend intakten Flussabschnitten um 6,9 TWh/a RAV übersteige die im Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien als realistisch eingestufte Ausbaugröße für Klein-, Mittel und Großkraftwerke in Höhe von 3,5 TWh/a bis 2015 um fast das Doppelte.
Flüsse in Bedrängnis
Laut Beurteilung des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans (NGP) 2009 seien nur 14 Prozent der heimischen Flüsse in einem sehr guten und 21 Prozent in einem guten ökologischen Zustand; der Rest sei bereits durch Nutzungen erheblich beeinträchtigt - durch Staue, Uferverbauungen, Flussregulierungen, Wasserentnahmen etc. Bereits auf 1.208 km Länge gebe es in Österreich Staue, laut Ministerium für ein lebenswertes Österreich (Website des Umweltministeriums).
Ehe neue Kraftwerksstandorte erschlossen werden, sollten bevorzugt bereits energiewirtschaftlich erschlossene Fließgewässer-Abschnitte ausgebaut werden, fordert der Umweltdachverband. Hier seien die Gemeinden gefordert, die vielfach an die Stelle der klassischen Elektrizitätswirtschaft getreten seien, denn die Strombranche habe sich aus der Kleinkraftwerksplanung bereits "völlig zurückgezogen", so Heilingbrunner.
Runder Tisch
Zur besseren Koordinierung sollten die Grundzüge bei einem "Runden Tisch" erörtert werden - wobei im Hintergrund aber schon die konkrete Projekt-Liste "mitzudenken" sei. Vorstellungen, dass sich die E-Wirtschaft selbst zusammensetzen und über Vorhaben in sensiblen Gebieten reden sollte, weist der Pressesprecher von Oesterreichs Energie, Ernst Brandstetter, zurück: Die Abstimmung konkreter Projekte innerhalb der Branche sei EU-rechtlich unmöglich, meinte er zur APA. Möglich sei nur eine Vorgangsweise wie sie etwa NÖ mit der Windkraft-Zonierung gewählt habe. Im übrigen treffe es zu, wie auch vom UWD eingeräumt, dass die E-Wirtschaft ihre Pläne komplett zurückgefahren habe.
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