Warum deutsche Modemacher rot sehen
Ein bekannter Name reicht in der Modewelt längst nicht, um eine sichere Zukunft zu garantieren. Das bekommen zurzeit immer mehr traditionsreiche Modelabel - egal ob Gerry Weber, Tom Tailor oder Esprit - schmerzhaft zu spüren. "Etablierte Marken stehen unter Druck", beobachtet das Branchenfachblatt Textilwirtschaft.
Tatsächlich häuften sich in den vergangenen Wochen die Hiobsbotschaften aus der deutschen Textilindustrie. Beispiel Gerry Weber: Das Modeimperium aus der westfälischen Provinz, zu dem auch die Marken Hallhuber, Taifun und Samoon gehören, schockte Mitte September die Aktionäre und die rund 6500 Mitarbeiter mit zweistelligen Umsatzrückgängen und einer Verdoppelung des Verlustes. Als der Modehersteller dann noch ein Sanierungsgutachten in Auftrag gab, dass einen tiefgreifenden Konzernumbau unterstützen soll, verstand die Börse das als Alarmsignal. Der Aktienkurs brach ein - zeitweise auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren.
Allein ist Gerry Weber mit seinen Problemen aber nicht. Der Textilhersteller Ahlers, bekannt vor allem durch die Marken Pierre Cardin, Baldessarini und Pioneer, will angesichts rückläufiger Umsätze in den nächsten Monaten 130 der zuletzt gut 2000 Stellen abbauen. Gleichzeitig stimmte das Unternehmen seine Aktionäre darauf ein, dass es für das Geschäftsjahr 2017/18 wohl keine Dividende geben wird. Eine nachhaltige Ergebnisverbesserung erwartet das Management erst "ab 2020". Auch die Modekette Tom Tailor überraschte im September mit einer Umsatz- und Gewinnwarnung. Und das Unternehmen Esprit rutschte tief in die roten Zahlen.
Schuld ist der Supersommer
Einen Grund für die Entwicklung nannten fast alle Unternehmen: den Supersommer 2018, der den Verbrauchern die Lust aufs Shoppen verdarb. Doch ist das nur ein Teil der Herausforderungen, mit denen sich viele Modehersteller aktuell konfrontiert sehen, wie Thomas Lange vom Modeindustrieverband Germanfashion betont. Denn der Siegeszug des Online-Handels und der Erfolg von Anbietern wie Primark oder Zara, die die wichtigsten Schritte vom Design der Produkte bis zum Verkauf in einer Hand lassen, hat die Branche dramatisch verändert.
Wer sich heute noch behaupten will, muss seine Kollektionen schneller auf den Markt bringen als früher. Er muss die Kosten besser im Griff haben. Und er muss es schaffen, den Kundengeschmack punktgenau zu treffen. Nach Branchenschätzungen sei 30 Prozent zuviel Ware auf dem Markt, betont Lange. Wer da nicht den Geschmack der Kunden trifft, wessen Produkte zu austauschbar sind, dessen Ware droht, in den Regalen liegenzubleiben. "Die große Kunst ist es, eine Marke aufzubauen, die den Endverbraucher auch anspricht", sagt der Germanfashion-Hauptgeschäftsführer.
Selbstkritisch zeigte sich kürzlich Esprit-Chef Anders Christian Kristiansen. Als das Unternehmen mit Firmensitz im nordrhein-westfälischen Ratingen und Börsennotierung in Hongkong vor wenigen Wochen für das Geschäftsjahr 2017/18 einen Verlust von rund 270 Mio. Euro ausweisen musste, machte er dafür nicht nur äußere Faktoren verantwortlich, sondern auch "eine fehlende klare Markenidentität sowie Produkte, die nicht den Erwartungen unserer Kunden entsprechen". Das Branchenblatt Textilwirtschaft sieht darin ein verbreitetes Problem: Zu vielen Anbietern, gerade im mittleren Preissegment, fehle "der Zauber".
Verschärft wird die Situation bei vielen schwächelnden Herstellern durch strategische Fehler der Vergangenheit. Gerry Weber, Esprit und Tom Tailor etwa schossen bei dem Versuch, ein eigenes Ladennetz aufzubauen, weit über das Ziel hinaus und mussten am Ende teuer dafür bezahlen, verlustreiche Filialen wieder loszuwerden. Gleichzeitig vernachlässigten viele der Hersteller den Aufbau eines attraktiven Online-Angebots und müssen dort nun aufholen.
Eingeständnis des Esprit-Chefs
Dass es auch anders geht, zeigen Marken wie Primark, Zara oder Adidas, die derzeit von Erfolg zu Erfolg eilen und dabei auf ganz unterschiedliche Strategien setzen. Der Billiganbieter Primark positioniert sich als Preisführer in der Fast Fashion. Zara punktet mit einem nicht endenden Feuerwerk immer neuer Trends. Adidas baut den eigenen Vertrieb im Internet so konsequent aus, wie kaum ein anderer Markenhersteller.
Doch macht auch noch etwas anderes den schwächelnden Traditionsmarken das Leben schwer. Nach wie vor lockt der große deutsche Markt ausländische Markenhersteller an. Die bisher in Deutschland nur spärlich vertretene japanische Kette Uniqlo etwa eröffnet im Oktober gleich zwei neue Filialen in Köln und Düsseldorf. In Düsseldorf übernimmt Uniqlo dabei die ehemaligen Verkaufsräume von Gerry Weber.
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