Ein Kampf zu Thanksgiving

Mitarbeiter des weltgrößten Einzelhändler-Konzerns protestieren für höheren Lohn.

Sie sehen aus wie die Nachbarn von nebenan, und alle sind sie sehr zufrieden. „Ich habe als Teilzeitangestellter angefangen, jetzt bin ich zum Leiter aufgestiegen“, sagt ein Afroamerikaner mittleren Alters auf einem Sportplatz. „Ich bekomme Bonuszahlungen, obwohl ich Teilzeit arbeite“, sagt eine dunkelhäutige Frau auf einem Kinderspielplatz und lächelt. „Wo ich arbeite, steigen 400 Mitarbeiter täglich auf“, erzählt eine weiße Amerikanerin, die beim Einkaufen ist. „Ich habe Leistungen für Bildung bekommen“, erklärt ein junger Mann, in einer Bibliothek sitzend. Sie alle sind Teil eines Werbespots von Wal-Mart, dem weltgrößten Einzelhändler.

In den USA steht die Großsupermarktkette als Symbol für den amerikanischen Traum – wie man durch harte Arbeit aufsteigen kann. In den Riesenhallen der Wal-Mart-Filialen kann man auch alles Erdenkliche kaufen, Waffen inklusive, zu günstigen Preisen.

Nicht genug zu essen

Aber ganz so traumhaft findet ein Teil der 1,3 Millionen US-Mitarbeiter ihr Leben dann doch nicht. Niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen haben sie bereits vor einem Jahr zu Thanksgiving, dem wichtigsten amerikanischen Feiertag, und nochmals diesen Sommer, protestieren lassen. 117 Mitarbeiter wurden in Folge gekündigt, berichtet „Making Change at Wal-Mart“, eine Vereinigung von Mitarbeitern, Gewerkschaftsrepräsentanten und Aktivisten für soziale Gerechtigkeit. „Wal-Mart macht 17 Milliarden Dollar Profit, während die meisten seiner Mitarbeiter weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdienen“, sagt Jeanna Slate, eine der Gekündigten. Manche sind so arm, dass sie sich nicht einmal genug zum Essen leisten können. In einer Filiale im Bundesstaat Ohio läuft deshalb seit Kurzem eine Spendenaktion, damit die Mitarbeiter zu Thanksgiving etwas auf dem Tisch bekommen können. „Das ist der echte Wal-Mart“, sagt eine Hintergrundstimme in einer Werbung vom „Making Change at Wal-Mart“, die über diese Spendenaktion erzählt und ebenfalls derzeit auf den Sendern läuft.

Ironischerweise mussten die Wal-Mart-Mitarbeiter am heurigen Feiertag länger arbeiten. Sie sollten zwei Stunden früher in die Arbeit gehen und die Läden bereits um 18 Uhr am Thanksgiving aufsperren, damit Wal-Mart seiner Konkurrenz am größten jährlichen Ausverkauf am Black Friday – dem Freitag nach Thanksgiving – voraus ist.

Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Bis heute, Freitag, sollten rund 1500 Protestaktionen gegen die Großkette im ganzen Land stattfinden. „Das verspricht eine der größten Mobilisierungen von Arbeiterfamilien in der amerikanischen Geschichte zu werden“, schreibt „Making Change“ in einer Erklärung.

Mittlerweile wurde eine überraschende interne Rochade im Konzern, der der Walton-Familie gehört, bekannt. Ab 1. Februar 2014 soll der Chef der Auslandsgeschäfte, Doug McMillon (47), den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Mike Duke (63) an der Spitze des Konzerns ersetzen. Einen Grund dafür hat man nicht genannt.

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