VOR: Pendler sind Leidtragende der Westbahn-Klage
Die Pendler in Wien, Niederösterreich und Burgenland sind nach Ansicht des Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) die Leidtragenden der Westbahn-Klage gegen Streckenvergaben des VOR an die ÖBB. "Das Ergebnis ist, dass wir unsere ab Dezember 2015 geplanten Mehrleistungen so nicht anbieten können", sagte VOR-Chef Wolfgang Schroll im Gespräch mit der APA. Der VOR prüft derzeit die konkreten Auswirkungen.
Das Verwaltungsgericht Wien hatte am Mittwoch entschieden, dass der Vergabeprozess neu aufgerollt werden muss. Das könnte die VOR-Pläne verzögern oder erschweren. "Es ist ein zumindest herausfordernder geworden", sagte Co-Geschäftsführer Thomas Bohrn. Man suche jetzt nach Lösungen. Die bisherigen Verträge zwischen VOR und den ÖBB sind aber nicht betroffen. Es geht um zusätzliche Fahrplan-Angebote, die durch die Vollinbetriebnahme des Wiener Hauptbahnhofes im Dezember 2015 möglich werden. Das Gericht erklärte die angekündigte Zusatzbeauftragung der ÖBB für nichtig.
Fahrpläne stehen noch nicht fest
Die Verwaltungsrichter kritisieren unter anderem die mangelnde Transparenz der Vergabe. Das stellt den VOR aber vor ein Problem: "Wir müssen ein Jahr im Voraus die Vergabe ankündigen, das ist eine gesetzliche Frist", so Schroll. "Nur stehen die konkreten Fahrpläne zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, wir haben da noch keine besseren Informationen." Der Detaillierungsgrad erhöhe sich erst mit später. "Das ist ein systemimmanentes Problem", erklärte Schroll.
Knackpunkt: Amstetten - St. Pölten - Wien
Knackpunkt ist die Strecke Amstetten - St. Pölten - Wien, die sowohl ÖBB als auch Westbahn fahren. Von dem Urteil sind aber auch andere Strecken betroffen. Laut Bohrn hätte die Westbahn gerne den Zuschlag des VOR für die Strecke zwischen Amstetten und Wien-Westbahnhof gehabt, "inhaltlich, etwa in Bezug auf die Haltemuster und das Fahrplangefüge, hat das Angebot aber nicht unseren Vorstellungen entsprochen", so der VOR-Geschäftsführer.
VOR: Direktvergaben zulässig
Der VOR verweist darauf, dass Direktvergaben zulässig seien und es dafür nun auch Rechtssicherheit gebe. Auch die ÖBB betonen gegenüber der APA, dass das Gericht die Zulässigkeit von Direktvergaben nicht infrage gestellt hat. Die Westbahn ihrerseits stattdessen öffentliche Ausschreibungen. Die mehrheitlich private Bahn will am Freitagvormittag in einer Pressekonferenz "alternative Verkehrsideen" für die Strecke Wien - St. Pölten - Amstetten vorstellen.
Westbahn "als Vollpartner willkommen"
Das Verhältnis von VOR und Westbahn ist seit längerem angespannt. Ende 2013 war der ÖBB-Konkurrent wegen Aufpreise auf Zeitkarten aus dem Verkehrsbund geflogen. "Seither gibt es keine Anknüpfungspunkte mehr für eine Zusammenarbeit", sagte Bohrn. Der VOR beteuerte aber, dass die Westbahn als "Vollpartner" im Verbund nach wie vor willkommen sei.
Die mehrheitlich private Westbahn fordert vom Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) für neue Strecken öffentliche Ausschreibungen statt direkte Vergaben an die ÖBB. Das Verwaltungsgericht Wien hat am Mittwoch den Vergabeprozess mangels Transparenz gestoppt. "Gegen eine neuerliche Direktvergabe würden wir wieder Einspruch einlegen", sagte Westbahn-Chef Erich Forster am Freitag in einer Pressekonferenz.
Es geht darum, dass ab dem nächsten Fahrplanwechsel im Dezember 2015 alle Fernverkehrszüge der ÖBB nicht mehr zum Westbahnhof, sondern zum Hauptbahnhof fahren. Damit fahren ab dann deutlich weniger Züge von St. Pölten über Hütteldorf zum Wiener Westbahnhof. Um die Lücke zu schließen, hatte der VOR vor, bei der ÖBB zusätzliche Zugverbindungen zu bestellen. Es geht um 3 bis 4 Mio. Euro jährlich für rund 400.000 Zugkilometer, das sind laut Forster stündliche Verbindungen zwischen St. Pölten und Wien-West. Teil der geplanten Direktvergabe waren auch weitere 300.000 Zugkilometer auf 22 weiteren Strecken im VOR-Netz. Die Westbahn beeinspruchte die gesamte Direktvergabe wegen der Strecke Wien-West und St. Pölten und hat vor dem Verwaltungsgericht Wien gewonnen. Der VOR erklärte gegenüber der APA, den Fall nicht zum Höchstgericht, dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH), bringen zu wollen.
"Einfach aus Fairplay, wenn dann die ÖBB gewinnen, ist das okay"
Als Lösung fordert Forster nun, dass zumindest die InterCity-Züge der ÖBB vorerst nicht den Hauptbahnhof, sondern auch noch 2016 den Westbahnhof ansteuern. Damit gäbe es genug Zeit für ein neues Gesamtkonzept ab Ende 2017 und eine öffentliche Ausschreibung - "einfach aus Fairplay, wenn dann die ÖBB gewinnen, ist das okay", so Forster. In Deutschland seien seit 1996 an die 18 Ausschreibungen erfolgt, bei denen auch die Deutsche Bahn zum Zug gekommen sei. Die ÖBB müssten sich ebenfalls dem Wettbewerb stellen.
"Mir ist ein nicht subventionierter InterCity am Westbahnhof lieber als zusätzliche subventionierte Regionalzüge"
Die vom VOR bestellten Mehrleistungen würden aus Sicht der Westbahn eine massive Ausweitung des Angebots zwischen Wien und St. Pölten bedeuten. "Mir ist ein nicht subventionierter InterCity am Westbahnhof lieber als zusätzliche subventionierte Regionalzüge", so Forster. Hintergrund ist, dass ÖBB und Westbahn ihre Fernverkehrszüge auf eigene Rechnung betreiben, der Pendlerverkehr hingegen wird subventioniert.
Die Westbahn sieht eine Verschwendung von Steuergeld - auf fünf Jahre gerechnet geschätzte 15 Mio. Euro. Der Grund: Die Strecke Wien-Westbahnhof über den Bahnhof Tullnerfeld nach St. Pölten sei durch die Fernzüge von ÖBB und Westbahn bisher auf eigene Rechnung gefahren worden, nachdem alle ÖBB-Fernzüge zum Hauptbahnhof verlegt werden sollen, sollen neue ÖBB-Züge auf der selben Strecke nicht mehr "eigenwirtschaftlich", sondern "gemeinwirtschaftlich" betrieben werden. Foster bezweifelt, dass es Subventionen braucht, wenn man jene Fahrgäste berücksichtigt, die künftig in St. Pölten auf Fernzüge umsteigen.
Westbahn ortet Planungsproblem
Während der VOR die mangelnde Transparenz mit einem Fristenproblem begründet, sieht die Westbahn eher ein Planungsproblem. Dafür sei aber weniger der VOR verantwortlich, sondern das Verkehrsministerium und dessen "Tochter", die ÖBB, so Forster. In der Gerichtsverhandlung habe sich offenbart, dass der Bund nicht früher planen könne, weil er von den Fernverkehrsbestellungen der ÖBB Personenverkehrs AG abhängig sei. "In Wirklichkeit ist damit jener, der den Auftrag empfangen soll, de facto der, der bestimmt, was passiert", sagte Forster.
Offener Brief des Betriebsrats
Der Konflikt zwischen Westbahn und VOR hat am Freitag auch eine Reaktion des ÖBB-Betriebsrates hervorgerufen. Betriebsratschef Roman Hebenstreit fragt in einem offenen Brief den Westbahn-Gesellschafter, die französische Staatsbahn SNCF, wie die Forderungen der Westbahn mit der SNCF-Bahnpolitik in Frankreich zusammenpassen. Frankreichs Staatsbahn lehnt laut Hebenstreit im eigenen Land Ausschreibung von Schienenpersonenverkehrsleistungen strikt ab. Westbahn-Chef Forster konterte: "Der Brief geht an die falsche Adresse", Hebenstreit müsse an die französische Politik schreiben.
Hinter der Ende 2011 gestarteten Westbahn stehen neben SNCF der Industrielle Hans Peter Haselsteiner und Erhard Grossnigg. Die Haselsteiner Familien-Privatstiftung hält 46,9 Prozent, Grossniggs Augusta Holding 25,1 Prozent und die SNCF 28 Prozent. Die Westbahn hat bisher nur Verluste geschrieben, laut Grossnigg wird es auch 2015 keinen Gewinn geben.
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