Von der Rettung bis zum Kollaps - die Szenarien

Beim Referendum müssen sich die Griechen zum Sparkurs bekennen. Wenn nicht, drohen Chaos, Dominoeffekte und das Aus für den Euro.

Die Griechen sollen abstimmen, ob sie die geschnürten Hilfspakete überhaupt wollen. Votieren sie mit Nein, könnte die gesamte Eurozone auseinanderbrechen.

Szenario 1: Die Griechen stimmen beim Referendum für das Rettungspaket

Sollte Premier Giorgos Papandreou Freitag Nacht die Vertrauensfrage im Parlament überleben - was dank einer dünnen Mehrheit wahrscheinlich ist -, wird das Referendum am 4. oder 5. Dezember stattfinden. Die Regierung wird alles daransetzen, die Folgen eines "Neins" in den schlimmsten Farben auszumalen. Tatsächlich bestehen Chancen, dass die Griechen trotz härtester Sparvorgaben mehrheitlich für das Rettungspaket votieren, um nicht in den Staatsbankrott zu schlittern.
Negative Folgen hat das Referendum aber in jedem Fall schon jetzt: Europas Banken wollen den beim jüngsten EU-Gipfel beschlossenen 50-prozentigen Schuldenschnitt erst umsetzen, wenn das Referendum positiv erledigt ist. Und wie Mittwochabend in Cannes bekannt gegeben wurde, wird die nächste Tranche an Hilfsgeldern in Höhe von acht Milliarden Euro nicht vor dem geplanten Referendum überwiesen werden.
Im günstigsten Fall, also mit Rettungsschirm, Sparmaßnahmen und wieder anspringender Konjunktur dürfte es noch bis zu zehn Jahre dauern, bis Griechenlands Wirtschaft saniert ist.
Sagen die Griechen beim Referendum Ja zu Europa, zum Euro und zum Sparkurs, sollten sich die Wogen, die rund um die Schuldenkrise in der Euro-Zone hochgegangen sind, aber glätten. Auch den viel zitierten Finanzmärkten wäre klar: Europa setzt alles daran, Griechenland so lange zu unterstützen, bis das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Die Ansteckungsgefahr für andere hoch verschuldete Euro-Länder wäre damit gering.

Szenario 2: Die Griechen stimmen gegen das europäische Rettungspaket
Ein "Nein" zum Rettungspaket wäre ein "Nein" zu den damit verbundenen harten Sparvorgaben - und hätte unabsehbare Folgen. Griechenland könnte theoretisch aus der Europäischen Union austreten - und müsste jede Hilfe aus der EU vergessen. Das Rettungspaket wäre tot, der Schuldenschnitt gestoppt, weitere Hilfskredite versiegen - und Griechenland wäre praktisch über Nacht pleite.
Beamte und Pensionisten könnten nicht mehr bezahlt werden, kleine Unternehmen und Geschäfte müssten schließen, Massenarbeitslosigkeit, Unruhen, Aufstände, politisches Chaos wären die Folge. Neuwahlen, und damit wieder monatelanger politischer Stillstand wären unausweichlich - und auch die neue Regierung stünde wieder vor dem gleichen Problem: Unbewältigbare Schuldenberge und die Suche nach Hilfe. Fazit: Ein "Nein" bedeutet schlimmere Zukunftsaussichten als man sich das derzeit überhaupt vorstellen kann.

Szenario 3: Griechischer Staatsbankrott
Griechenland leidet schon lange daran, dass die laufenden Ausgaben die Einnahmen bei Weitem übertreffen. Im Fall der Staatspleite wäre an allen Ecken und Enden erst recht zu wenig Geld da.
Der Einbruch der Konjunktur würde noch viel heftiger ausfallen und noch viel mehr Arbeitsplätze ausradieren. Schon im Vorfeld würde eine massive Kapitalflucht einsetzen. Die Regierung müsste Abhebungen von Bankkonten limitieren, damit die griechischen Geldinstitute nicht vollends zusammenbrechen. Diese müssten im Fall der Staatspleite ohnehin verstaatlicht werden, weil die Berge an Staatsanleihen, auf denen sie sitzen, praktisch nichts mehr wert wären. Von der Europäischen Zentralbank würden Griechenlands Banken kein Geld mehr bekommen.

Szenario 4: Eine Pleite- und Rezessionswelle quer durch Europa
Dass griechische Staatsanleihen so gut wie nichts mehr wert wären, träfe nicht nur griechische Banken, Versicherungen und Pensionskassen, sondern auch viele Institute außerhalb. Beim jüngsten EU-Gipfel war beschlossen worden, dass Private auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten sollen. Bei einem Pleite-Chaos in Griechenland wäre der Ausfall um vieles höher. Das würden etliche europäische Banken, allen voran Institute aus Frankreich, nicht aus eigener Kraft überleben. Sie müssten gestützt werden. Misstrauen auch in vielen anderen Bereichen wäre die Folge: Konsumenten würden sich bei Ausgaben einschränken, Unternehmen würden Investitionen auf Eis legen. Europa würde in die nächste tiefe Rezession rutschen, wieder würden Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet.

Szenario 5: Die Eurozone bricht auseinander
Griechenland führt wieder die alte Währung Drachme ein, wertet sie aber um mindestens die Hälfte ab und gewinnt wieder an Wettbewerbsfähigkeit. Und der Rest der Euro-Zone macht weiter wie bisher? Kann sein, es ist aber durchaus auch möglich, dass die Währungsunion ganz auseinander bricht. Wenn schon das kleine Griechenland Europa in ein derartiges Chaos stürzen kann, werden sich private Geldgeber fragen, welches Land als nächstes mit seinen Schuldenbergen nicht zurechtkommen und einen Schuldennachlass einfordern wird.
Für frisches Geld werden Staaten wie Spanien oder Italien noch viel höhere Zinsen zahlen müssen als ohnehin schon. Eine Unterstützung großer Euro-Staaten ist auch bei noch so aufgeblähten Rettungsschirmen nicht drinnen. Konsequenz: Ein Aus für den Euro oder die Spaltung in einen schwachen Süd-Euro und einen starken Nord-Euro. Österreich wäre sicher bei Letzterem. Klingt zwar gut, wäre aber für die Exportwirtschaft ein schier unüberwindbares Problem.

Leere Taschen: Hilfe reicht nicht aus
Milliarden
Wir werden es alleine schaffen, hieß es Anfang 2010 aus Athen. Bald musste der Staat doch um Hilfe bitten. Die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds schnürten ein 110-Milliarden-Euro-Paket mit Hilfskrediten.

Private und Banken
Dem ersten Hilfspaket folgte heuer im Juli ein zweites in Höhe von 109 Milliarden Euro. Doch auch das reichte nicht. Vergangene Woche beim EU-Gipfel wurde es auf 130 Milliarden Euro erhöht. Jetzt müssen Private wie Banken, Versicherungen und Pensionskassen, die griechische Staatsanleihen besitzen, "freiwillig" auf die Hälfte ihres verborgten Geldes verzichten.

Sünder
Nach Griechenland ist Italien der größte Schuldensünder der Euro-Zone. Es hat Staatsschulden in Höhe von 1,9 Billionen Euro angehäuft. Das entspricht 120 Prozent der Wirtschaftsleistung. Laut Maastricht-Vertrag wären höchstens 60 Prozent erlaubt.

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