"Viele Griechen können nicht mehr sparen"

Griechenlands ehemaliger Außenminister Dimitris Droutsas, EU-Abgeordneter und enger Vertrauter von
Giorgos Papandreou, nimmt sich kein Blatt vor den Mund: "Griechenland ist von den politischen Eliten falsch geführt worden. Es gab Steuerbetrug, Klientelismus, übermäßigen Einfluss der Gewerkschaften und eine Scheu vor Reformen." Mit dem KURIER sprach er am Rande seines Vortrages am Freitag in der Diplomatischen Akademie in Wien.
KURIER: Ist die Ära von Premier Papandreou zu Ende?
Dimitris Droutsas: Mal sehen. Eines kann ich sagen, die Kritik verdient er nicht. Seit der Regierungsübernahme hat er sich nicht davor gescheut, jede Reform zu ergreifen, ohne Rücksicht auf persönliche und politische Kosten. Das Letzte, woran er denkt, ist sein eigener Sessel.
Warum hat er die EU-Partner nicht über das Referendum informiert?
Ein Referendum als Akt der Verantwortung abzuhalten, war den EU-Partnern bekannt. Er hat immer wieder gesagt, dass ein Referendum notwendig sei, um Reformen durchzuführen und die Bürger mitzunehmen. Die Ankündigung hatte mit der Lage der vergangenen Tage in Griechenland zu tun.
Hätte das Parlament das zweite Hilfspaket abgelehnt?
Es ging um die Umsetzung der EU-Beschlüsse und deren Auflagen. Viele Griechen können nicht noch mehr sparen, die öffentliche Meinung ist gegen die Sparpläne. Viele Arbeitnehmer sind öfter auf den Straßen von Athen anzutreffen als am Arbeitsplatz. Teile der öffentlichen Verwaltung liegen lahm. In dieser Atmosphäre agitieren extreme Gruppen gegen die Regierung. Die Opposition Nea Dimokratia sagt zu allem Nein. Nicht einmal kleinste Reformen werden von ihr mitgetragen. Die EU-Beschlüsse wären im Parlament nicht durchgegangen.
Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt viele Ideen: Eine Übergangsregierung oder Neuwahlen.
Griechenland wäre dann längere Zeit ohne Regierung. Keine Partei würde die absolute Mehrheit bekommen. Oppositionschef Samaras ist nicht bereit, nach
Wahlen eine Koalitionsregierung zu bilden. Er sagt, er wolle so lange wählen lassen, bis er die Mehrheit hat.
Das EU-Hilfspaket ist für Ihr Land existenziell. Wann wird darüber abgestimmt?
Möglichst bald. Die Referendumsankündigung hatte etwas Positives. Die Opposition deutet jetzt an, die EU-Beschlüsse und deren Umsetzung mitzutragen. Das ist ein Umdenken. Papandreou hat schon im Juni zu Samaras gesagt, er würde seinen Platz räumen, wenn dies für die Opposition die Bedingung wäre, das Sparpaket zu unterstützen.
Sie gelten als die neue politische Hoffnung der PASOK?
Ich bin kein Berufspolitiker, hege keine politische Ambition. Wenn ich helfen kann, stehe ich meinem Vaterland zur Verfügung. Es gibt zu viele, die am Sessel von Papandreou sägen und gerne die PASOK übernehmen würden. In Zeiten der Krise ist das eine falsche Einstellung und Vorgehensweise.
Was braucht Ihr Land jetzt?
Papandreou ist aufgrund seines Namens und seines Charakters ein Garant für die Einigung Griechenlands, aber auch für die PASOK.
Samaras und Papandreou waren Studienkollegen in den USA und haben das Zimmer am Campus geteilt. Warum sind sie jetzt so verfeindet?
Verfeindet ist ein zu extremes Wort. Samaras muss sich seiner Verantwortung bewusst sein.
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