USA: Aus der Traum vom Eigenheim

Ein Haus mit einem „Zu verkaufen“-Schild und einer amerikanischen Flagge vor der Tür.
Die massive Immobilienkrise ist längst noch nicht ausgestanden und spielt tief in den amerikanischen Wahlkampf hinein.

Der Unfall kostete Sandra Usher nicht das Leben, aber beinahe ihr Haus. Ihren Beruf als Krankenschwester musste sie aufgeben. Die Bezahlung des Spitalaufenthalts fraß ihre finanziellen Reserven auf. Für den Wohnkredit für ihr Einfamilienhaus in Miami blieb nichts mehr übrig. „Ich war am Ertrinken, ich konnte es einfach nicht mehr ertragen“, erzählt die alleinstehende Großmutter.

Nach drei Jahren voller Verzweiflung suchte sie endlich Hilfe bei einer lokalen NGO. Vor Kurzem dann die große Erleichterung – ihre monatlichen Rückzahlungen wurden von 1300 US-Dollar auf 650 US-Dollar reduziert. „Jetzt geht es mir wieder besser, ich werde nicht aufgeben“, sagt die ursprünglich aus Belize stammende 58-Jährige dem KURIER mit einem Lächeln.

Fürs Erste ist ihr Haus gerettet, aber das Leben am Rand der Gesellschaft ist riskant. Schon eine einzige weitere Operation könnte genügen, sie wieder aus dem finanziellen Gleichgewicht zu werfen.

In Ushers Lage befinden sich viele in Florida – und in den ganzen USA. Die Immobilienkrise und die allgegenwärtigen Zwangsversteigerungen sind im diesjährigen Wahlkampf daher ein besonders heißes Thema.

Die zwei Top-Rivalen im Rennen der Republikaner um die Nominierung, Mitt Romney und Newt Gingrich, demonstrieren dies im Vorwahlkampf besonders deutlich. Sie werfen sich gegenseitig mit gehässigen Parolen vor, Anteile an Fannie Mae und Freddie Mac zu halten. Die großen staatlichen Hypothekenbanken der USA werden von vielen im Land für die Krise hauptverantwortlich gemacht.

Sticheleien

Die Sticheleien rund um diese Investments werden vermutlich weiter gehen, da sich die Wahlkampf-Kampagnen als nächstes in Richtung weiterer Bundesstaaten bewegen, die besonders schwer von der Immobilienkrise gezeichnet sind.

Unterdessen schlug Präsident Barack Obama in einer Rede in Virginia eine gewaltige Ausdehnung der staatlichen Hilfe für Hausbesitzer und Wohnungseigentümer vor. Das Ziel: Millionen Kreditnehmer, die teure Hypotheken abzuarbeiten haben, sollen niedrigere Kreditzinsen erhalten.

Zwangsversteigerungen

Das Problem hat enorme Ausmaße. Laut der Firma RealtyTrac sind landesweit derzeit mehr als 1,3 Millionen Wohneinheiten von Zwangsversteigerungen betroffen. Experten warnen deshalb davor, an ein baldiges Ende der Krise zu glauben.

Josh Fuhrman ist Mitglied einer Organisation, genannt Homeownership Preservation Foundation, die eine landesweite Hotline für von Zwangsversteigerungen betroffene Hausbesitzer betreibt. „Seit Beginn der Krise im Jahr 2007 haben wir sechs Millionen Anrufe bekommen“, sagt Fuhrman dem KURIER. „Heute erreichen uns immer noch um die 4000 pro Tag.“ Was die Lage noch dramatischer macht: Der durchschnittliche Anrufer hat, so Fuhrman, auch 18.000 US-Dollar Kreditkartenschulden.

Laut LeeAnn Robinson von der NGO Neighborhood Housing Services of South Florida, die die ehemalige Krankenschwester Usher unterstützt hat, liegt der Auslöser der Krise fünf bis zehn Jahre zurück. Damals schnellten die Immobilienpreise in die Höhe und lösten für viele eine Art Torschlusspanik aus. Sie bekamen Angst, sich in Zukunft nie mehr ein Eigenheim leisten zu können und schlugen zu. Die Leute ließen sich Hypotheken aufschwatzen, deren Raten über die Zeit teurer wurden. Nach nur wenigen Jahren waren die Zahlungen für sie unleistbar. „Es wird noch dauern, bis wir da durch sind“, warnt Robinson.

Eines der großen Probleme besteht auch darin, dass die Häuser mittlerweile oft weniger wert sind als die Kredite, die sie besichern. Diese Situation wird in den USA als „unter Wasser“ bezeichnet, erklärt Armando Fana vom Miami Büro des U.S. Department of Housing and Urban Development. Die Menschen können dann nicht mehr, wie es in Amerika bisher üblich war, ihre Häuser einfach den Banken überlassen und in eine billigere oder wirtschaftlich besser dastehende Gegend mit Arbeitsmöglichkeiten wegziehen. Sie sind im eigenen Haus gefangen. „Das zwingt den Markt richtig in die Knie“, so Fana.

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